a) Kooperations- und Kommunikationspflichten
Erwartungsgemäß ist das Europaparlament den von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen zu den Kooperations- und Kommunikationspflichten von Verwaltern (Art. 56 EuInsVO) und Insolvenzgerichten (Art. 57 EuInsVO) gefolgt. Dies ist zu begrüßen. Die neuen Regelungen werden allein schon wegen des Haftungsrisikos, das Verwalter eingehen, die sich der gebotenen Koordinierung von Verfahren zu entziehen versuchen, dazu beitragen, dass Konzerninsolvenzen in Zukunft einem dem Gesamtinteresse dienenden Ziel zugeführt werden können (Vallender ZInsO 2015, 57, 62). Besonderes Gewicht ist dabei den Informationspflichten (Art. 56 Abs. 2 lit. a EuInsVO) beizumessen: Sie können zur Vermeidung von Parallelverfahren beitragen. Ihre Bewährungsprobe wird die Regelung des Art. 56 EuInsVO insbesondere im Zusammenhang mit der in Art. 60 Abs. 1 lit. b EuInsVO vorgesehenen Antragsbefugnis auf Aussetzung von Verwertungsmaßnahmen bei beabsichtigter Sanierung mittels Plan zu bestehen haben. Gefordert sind aber nicht nur die Verwalter, sondern vor allem die Gerichte, denn die Regelung des Art. 60 Abs. 2 S. 1 EuInsVO verlangt, dass sich das Gericht vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen überzeugt hat. Gefordert ist wirtschaftlicher Sachverstand, der nicht ohne Weiteres vorauszusetzen ist und unter Umständen die Einschaltung von Sachverständigen nahelegen wird.
b) Einführung eines Koordinationsverfahrens
Das in Art. 61 ff. EuInsVO geregelte Koordinationsverfahren soll die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine engere Koordinierung der Einzelverfahren schaffen. Antragsbefugt ist jeder Verwalter, der in einem Verfahren über das Vermögen eines Mitglieds der Unternehmensgruppe bestellt wurde. Der Antrag kann bei jedem Gericht gestellt werden, bei dem ein Insolvenzverfahren über ein Mitglied der Unternehmensgruppe anhängig ist (Art. 61 Abs. 1 EuInsVO). Bei mehreren Anträgen ist der zuerst eingegangene Antrag maßgebend (Art. 62 EuInsVO). Art. 63 EuInsVO sieht eine Mitteilungspflicht des mit dem Antrag befassten Gerichts vor. Art. 66 EuInsVO enthält für das internationale Insolvenzrecht ein Novum: Nach dieser Bestimmung können sich mindestens zwei Drittel aller Verwalter, die für Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mitglieder bestellt wurden, auf die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts eines bestimmten Mitgliedstaats verständigen.
Die Eröffnung des Gruppenkoordinationsverfahrens hängt insbesondere davon ab, dass das zuständige Gericht davon überzeugt ist, dass seine Entscheidung die effektive Führung der Insolvenzverfahren über das Vermögen der verschiedenen Mitglieder der Gruppe erleichtern kann (Art. 68 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1 lit. a EuInsVO). Gleichzeitig bestellt das Gericht einen Koordinator, der nach dem Recht eines Mitgliedstaats geeignet ist, als Verwalter tätig zu werden und keiner der Verwalter sein darf, die für ein Mitglied der Gruppe bestellt sind (Art. 71 Abs. 2 EuInsVO), und entscheidet über den Entwurf der Koordination. Art. 72 EuInsVO beschreibt die Aufgaben und Rechte des Koordinators. Von besonderer Bedeutung ist dabei dessen Befugnis, einen Gruppen-Koordinationsplan vorzuschlagen, der einen umfassenden Katalog geeigneter Maßnahmen für einen integrierten Ansatz zur Bewältigung der Insolvenz der Gruppenmitglieder festlegt, beschreibt und empfiehlt.
Die Vorschriften zum Koordinationsverfahren haben den Vorteil, dass die Beteiligten von der konfliktträchtigen Aufgabe entlastet werden, sich zunächst auf eine Person zu einigen, der die Steuerung und Leitung des Gesamtprozesses anvertraut werden soll. Sodann sorgen Verfahrensvorkehrungen dafür, dass sich die Verwalter mit den im Rahmen des Koordinationsverfahrens unterbreiteten Vorschlägen auseinandersetzen müssen und von diesen nicht ohne Grund abweichen dürfen. So trifft sie vor allem die in Art. 70 Abs. 1 EuInsVO statuierte Pflicht, die Empfehlungen des Koordinationsverwalters und den Gruppen-Koordinationsplan zu berücksichtigen. Folgt ein Insolvenzverwalter den Empfehlungen nicht, hat er die Gründe dieser Abweichung auf der Gläubigerversammlung bzw. vor jeder anderen Einrichtung, der gegenüber er nach dem Recht des betroffenen Mitgliedstaats rechenschaftspflichtig ist, zu erläutern. Folglich sind die Insolvenzverwalter zur Prüfung der Frage angehalten, ob die im Rahmen des Koordinationsverfahrens vorgeschlagenen Maßnahmen die Gläubiger ihres Verfahrens voraussichtlich besserstellen als alternative Verwertungsstrategien.