Mit Art. 6 Abs. 1 EuInsVO hat der Verordnungsgeber eine Lücke in der Verordnung geschlossen, die Gegenstand einer intensiv geführten Diskussion war: die Frage der internationalen Zuständigkeit für Annexentscheidungen. Zwar stellt Art. 32 EuInsVO klar, dass die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 19 EuInsVO automatisch anerkannt wird, ebenfalls ohne Förmlichkeiten in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden. Unklar war indes, was unter Annexentscheidungen zu verstehen ist und aus welchen Vorschriften sich die internationale Zuständigkeit für den Erlass von Annexentscheidungen ergibt. Art. 6 Abs. 1 EuInsVO bestimmt nunmehr, dass insoweit die Gerichte des Eröffnungsstaats für "alle Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen", international zuständig sind. Ausdrücklich nennt die Verordnung Anfechtungsklagen. Damit hat sich der Verordnungsgeber der in der Literatur vielfach vertretenen Auffassung angeschlossen, dass sich die internationale Zuständigkeit aus dem nationalen Recht des Staats ergibt, dessen Gericht angerufen wird (näher dazu Carstens, Die internationale Zuständigkeit im europäischen Insolvenzrecht, 2005, S. 104 m.w.N.). Dass dies bei Anfechtungsklagen, die nicht Gegenstand einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung sind, aus Sicht des betroffenen Anfechtungsgegners zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Rechtsverteidigungsmöglichkeit führt, ist nicht zu verkennen.
Die für die gerichtliche Praxis wichtige Frage, ob es sich bei der Zuständigkeitsregelung des Art. 6 Abs. 1 EuInsVO um eine ausschließliche handelt, beantwortet die Bestimmung nicht zweifelsfrei. Für eine ausschließliche Zuständigkeit spricht der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 EuInsVO, denn nur unter den dort genannten Voraussetzungen ist es dem Insolvenzverwalter erlaubt, zwischen mehreren potentiell eröffneten Entscheidungsforen zu wählen (ebenso Prager/Keller WM 2015, 809 Rn 27; Wimmer jurisPR-InsR 7/2015 Anm. 1; a.A. Albrecht ZInsO 2015, 1081; Kindler KTS 2014, 25, 36). Die Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit hat zur Folge, dass die angerufenen Gerichte außerhalb des Eröffnungsstaats ihre internationale Zuständigkeit zu verneinen und die Klage als unzulässig abzuweisen haben. Es ist nicht zu verkennen, dass die Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit zu einem groben Verstoß gegen das Effizienzprinzip führen kann, wenn dem Insolvenzverwalter die Berufung auf den Beklagtengerichtsstand versagt würde, obwohl er in einem dort geführten Prozess größere Aussichten für eine effiziente Vermehrung der Masse sieht (Kindler KTS 2014, 37). Dies gilt indes nicht, wenn die lex fori concursus für ein Annexverfahren keine örtliche Zuständigkeit bereitstellt. In einem solchen Fall ist von einer relativen Exklusivität der Verfahrenszuständigkeit in der Weise auszugehen, dass sich andere Mitgliedstaaten auf die Vorschriften der EuGVVO stützen können und müssen (so auch Carstens, Die internationale Zuständigkeit im europäischen Insolvenzrecht, 2005, S. 109).
Hinweis:
Art. 6 Abs. 1 EuInsVO eröffnet dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren nach Art. 3 EuInsVO eröffnet worden ist, z.B. eine Anfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zu erheben, der seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat. Danach kann z.B. im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Köln am zuständigen Amts- oder Landgericht Köln die entsprechende Klage erhoben werden. Diese aus der Sicht des Verwalters positive Entscheidung des Verordnungsgebers erschwert die Rechtsverteidigung des Anfechtungsgegners nicht unerheblich.