Übernimmt der Anwalt die Prozessführung in einem gerichtlichen Verfahren, so sind besondere das Verfahren betreffende Vertragspflichten zu beachten. Hierzu gehört insbesondere die Pflicht, einer gerichtlichen Fehlentscheidung entgegenzuwirken (BGH, Urt. v. 13.10.2016 – IX ZR 214/15, ZAP EN-Nr. 77/2017 = WM 2017, 678 Rn 23 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 2.4.1998 – IX ZR 107/97, WM 1998, 1542, 1545; D. Fischer ZAP F. 23, S. 1087, 1090).
Der Rechtsanwalt hat von der Durchführung eines erfolglosen Rechtsmittels ebenso abzuraten wie von der Führung eines von vornherein aussichtslosen Rechtsstreits (BGH, Urt. v. 16.2.2017 – IX ZR 165/16, ZAP EN-Nr. 462/2017 = DB 2017, 1258 Rn 15 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 26.9.2013 – IX ZR 51/13, WM 2014, 89 Rn 11).
Regelmäßig können Rechtsanwälte davon ausgehen, der Mandant werde bei inhaltlich zutreffender Rechtsprüfung den sich hieraus ergebenden Empfehlungen auch folgen. Deswegen muss der Berater einer der objektiven Rechtslage zuwiderlaufenden Weisung des Mandanten zur Fortsetzung eines objektiv aussichtslosen Rechtsstreits nicht nachkommen. Anderes gilt nach dem Grundsatz einer beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung nur dann, wenn der Mandant bereits die Erteilung des Mandats davon abhängig macht, dass die begehrte Rechtsverfolgung – gleich ob es sich um die Abgabe einer Willenserklärung, die Erhebung einer Klage oder die Einlegung eines Rechtsmittels handelt – ungeachtet des Ergebnisses einer Rechtsprüfung des Anwalts in jedem Fall durchgeführt werden soll. Übernimmt ein Rechtsanwalt ein ihm unter diesem Vorbehalt angetragenes Mandat, hat er es ungeachtet der objektiven Rechtslage – soweit das ihm auferlegte Vorgehen als solches in Einklang mit der Rechtsordnung steht – im Sinne des Mandanten wahrzunehmen (BGH, Urt. v. 16.2.2017 – IX ZR 165/16, a.a.O., Rn 17).
Auf der Grundlage einer rechtlich fehlerfreien Begutachtung kann der Mandant seine Interessen sachgerecht wahrnehmen, indem er abhängig von dem inhaltlichen Ergebnis entweder erfolgversprechende Maßnahmen ergreift oder aus Gründen des Selbstschutzes von fruchtlosen Schritten Abstand nimmt. Erweist sich ein Prozessgutachten als richtig, ist es ohne Bedeutung, ob es den mit der Rechtsordnung unvereinbaren Wunsch- und Begehrensvorstellungen des Mandanten widerspricht. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Gutachten – je nach Blickwinkel der Interessenlage – günstig oder nachteilig ausfallen kann. Allein entscheidend für seinen Nutzen ist, ob das Gutachten die Erfolgsaussichten des von dem Mandanten begehrten Prozessverhaltens zutreffend abbildet. Auch ein ihm objektiv nachteiliges Gutachten entspricht unter dem Gesichtspunkt des beratungsgerechten Verhaltens den wohlverstandenen Interessen des Mandanten, der von ihm nachteiligen, kostenträchtigen Schritten einer objektiv aussichtslosen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abgehalten wird. Aus objektiver Warte hat ein inhaltlich beanstandungsfreies Gutachten für den Mandanten auch dann Interesse, wenn er sich über den darin zum Ausdruck kommenden Rat hinwegsetzt (BGH, Urt. v. 16.2.2017 – IX ZR 165/16, a.a.O., Rn 26).