Den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden hat derjenige zu beweisen, der den Schadensersatzanspruch geltend macht (BGH, Urt. v. 25.9.2014 – IX ZR 199/13, DB 2014, 2399 Rn 24; v. 14.6. 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 = WM 2012, 1359 Rn 39). Dies ist i.d.R. der Mandant (BGH, Urt. v. 25.9. 2014 – IX ZR 199/13, a.a.O.). Nach der höchstrichterlichen Judikatur kommen im Rahmen der Beraterhaftung unter bestimmten Voraussetzungen Beweiserleichterungen in Betracht, dann nämlich, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten des Mandanten typischerweise gegeben ist (BGH, Urt. v. 17.3.2016 – IX ZR 142/14, WM 2016, 2091 Rn 14). Es handelt sich hierbei um einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises (BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, WM 2012, 1359 Rn 39; Beschl. v. 15.5.2014 – IX ZR 267/12, WM 2014, 1379 Rn 2; Urt. v. 25.9.2014 – IX ZR 199/13, a.a.O.). Der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden kann aufgrund nach der Verletzungshandlung eingetretener besonderer Umstände unterbrochen sein, mit der Folge, dass die Haftung des pflichtwidrig handelnden Rechtsberaters entfällt.
1. Anwendungsbereich des Anscheinsbeweises
Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens kommt zur Anwendung, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend informierten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre (BGH, Urt. v. 7.12.2017 – IX ZR 25/17, WM 2018, 378 Rn 31 [StB]; eingehend hierzu D. Fischer ZAP F. 23, S. 1087, 1091 f.). Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den rechtlichen Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten. Die Beweiserleichterung zugunsten des Mandanten gilt also nicht generell. Sie setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen (BGH, Urt. v. 17.3.2016 – IX ZR 142/14, WM 2016, 2091 Rn 14 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 30.9.1993 – IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 314 f.; v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn 36).
Hinweis:
Ist ein Vermutungstatbestand der hier genannten Art einschlägig, kann er fehlenden Sachvortrag ersetzen (BGH, Urt. v. 17.3.2016 – IX ZR 142/14, a.a.O., Rn 13).
2. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs
Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Rechtsberaters und dem Schaden des Mandanten kann ausnahmsweise entfallen, wenn die vom Berater in Gang gesetzte Ursachenkette durch den Mandanten oder einen Dritten – insbesondere durch ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder einen Zweitberater – unterbrochen wird. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann ist der Schaden bei wertender Betrachtung dem Berater haftungsrechtlich nicht mehr zuzurechnen (G. Fischer, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2015, § 5 Rn 46 ff.). Bleibt der Zurechnungszusammenhang erhalten, so kommt allerdings in Betracht, dass dem Mandanten ein Mitverschulden wegen eines eigenen oder fremden Schadensbeitrags anzulasten ist (D. Fischer DB 2017, 2465).
Grundsätzlich schließt es eine für den Schaden mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten nicht ohne Weiteres aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, ZAP EN-Nr. 71/2017 = DB 2016, 2955 Rn 24 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn 44). Bestand für die Zweithandlung der Geschädigten ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert und erweist sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen (BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11 a.a.O.).
Beispiele:
- Der im Zusammenhang mit einer aufgrund der vorangegangenen fehlerhaften Beratung entstandenen Unsicherheit geschlossene Vergleich ist i.d.R. als eine vernünftige Reaktion des Geschädigten in diesem Sinne anzusehen (BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17, ZAP EN-Nr. 687/2017 = NJW 2017, 3442 Rn 41; ferner v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, a.a.O.).
- Gleichfalls liegt keine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vor, wenn der Mandant aufgrund eines eigenen Willensentschlusses ein Anerkenntnis abgibt. Hat der Rechtsberater den Mandanten durch seinen Beratungsfehler in eine ungünstige Situation gegenüber dem Gegner gebracht und entschließt sich der Mandant in einer solchen Lage, dem Begehren des Gegners nachzugeben und es nicht auf einen Prozess ankommen zu lassen, handelt es sich im Allgeme...