1. Allgemeine Grundsätze
Welchem Recht die Verjährung eines Anspruchs auf Schadensersatz aus Anwaltshaftung unterliegt, richtet sich gem. Art. 229 § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Art. 229 § 6 EGBGB danach, wann der Anspruch entstanden ist. Ein Anspruch, der nach dem 14.12.2004 entstanden ist, verjährt insgesamt nach den Verjährungsvorschriften des BGB. Für einen Anspruch, der vor dem 15.12.2004 entstanden ist, gilt dagegen § 51b BRAO a.F. (BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15, ZAP EN-Nr. 212/2017 = NJW-RR 2017, 506 Rn 9 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 13.11.2008 – IX ZR 69/07, WM 2009, 283 Rn 8). Bestimmt sich die Verjährung des primären Schadensersatzanspruches nach § 51b BRAO, gilt diese Vorschrift auch für den Sekundäranspruch, weil dieser lediglich ein Hilfsrecht und unselbstständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet (BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 13.11.2008 – IX ZR 69/07, a.a.O.; v. 3.2.2011 – IX ZR 105/10, WM 2011, 796 Rn 9). Die Verjährung gem. § 51b BRAO a.F. beginnt taggenau und kenntnisunabhängig mit der Entstehung des Anspruchs (BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15, ZAP EN-Nr. 212/2017 = NJW-RR 2017, 506 Rn 9).
Der Grundsatz der Schadenseinheit besagt, dass derjenige Schaden, der aus einem bestimmten Ereignis erwachsen ist, als einheitliches Ganzes aufzufassen ist. Es gibt nur einen Anspruch auf Ersatz dieses Schadens und nur eine Verjährungsfrist (BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15, a.a.O., Rn 11; ebenso BGH, Urt. v. 4.4.1991 – IX ZR 215/90, BGHZ 114, 150, 153). Im Bereich der Anwaltshaftung gilt dieser Grundsatz für alle Schäden, die aus einem bestimmten Beratungsfehler erwachsen. Liegt die Pflichtverletzung des Anwalts in der Erhebung einer aussichtslosen Klage, läuft für den Anspruch auf Ersatz des hieraus folgenden Kostenschadens einschließlich aller weiterer adäquat verursachter, zurechenbarer und voraussehbarer Nachteile eine einheitliche Verjährungsfrist (BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15, a.a.O., Rn 9 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 3.2.2011 – IX ZR 105/10, a.a.O., Rn 10).
Hinweis:
Werden dagegen zwei unterschiedliche Pflichtverletzungen gegenüber einem Anwalt geltend gemacht und liegen mithin zwei verschiedene materiell-rechtliche Ansprüche vor, dann ist die Verjährung jeweils gesondert zu prüfen (BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15, a.a.O., Rn 12).
2. Hemmung der Verjährung
Nach § 203 S. 1 BGB ist die Verjährung im Fall schwebender Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Eine ausdrückliche Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen und eine endgültige Ablehnung der Leistung durch die Gegenseite sind in diesem Zusammenhang nicht geboten. Es genügt für eine Beendigung der Hemmung, wenn die Verhandlungen beidseits nicht fortgesetzt werden, sie – bildlich gesprochen – einschlafen. Diese zum alten Recht (§ 852 Abs. 2 BGB) entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 6.3.1990 – VI ZR 44/89, VersR 1990, 755, 756; v. 5.11.2002 – VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303; v. 1.3.2005 – VI ZR 101/04, NJW-RR 2005, 1044, 1047) haben auch, wie der BGH mit Urteil vom 15.12.2016 (IX ZR 58/16, ZAP EN-Nr. 272/2017 = VersR 2017, 903 Rn 15) betonte, im Anwendungsbereich des § 203 S. 1 BGB Geltung. Dies war nicht nur der eindeutige Wille des Gesetzgebers, sondern diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck der Verjährungsbestimmungen, innerhalb angemessener Fristen für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu sorgen. Verhandlungen sind in diesem Sinne zu dem Zeitpunkt „eingeschlafen“, in dem spätestens eine Erklärung der anderen Seite zu erwarten gewesen wäre (BGH, Urt. v. 15.12.2016 – IX ZR 58/16, a.a.O.).
Hinweis:
Feste Fristen, wann Verhandlungen in diesem Sinn nicht fortgeführt werden, bestehen nicht. Der Zeitraum, der dem einen Teil zur Erwiderung auf die Äußerung des anderen Teils einzuräumen ist, hängt von dem Gegenstand der Verhandlung und der Verhandlungslage ab; er ist vom Tatrichter im Einzelfall zu bestimmen (BGH, Urt. v. 15.12.2016 – IX ZR 58/16, a.a.O., Rn 17).
Zugleich wurde entschieden, dass, wenn beidseits nicht fortgesetzte und deswegen als abgebrochen anzusehende Verhandlungen wieder aufgenommen werden, eine rückwirkende Hemmung durch die neuen Verhandlungen auf den Zeitpunkt der ersten Verhandlung nicht in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 15.12.2016 – IX ZR 58/16, a.a.O., Rn 23).
3. Rechtsmissbräuchliche Erhebung der Einrede der Verjährung
Die Verjährungseinrede des Rechtsberaters gegenüber einem Schadensersatzanspruch des Mandanten ist unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) verstößt (BGH, Urt. v. 29.2.1996 – IX ZR 180/95, WM 1996, 1106, 1108; v. 15.7.2010 – IX ZR 180/09, WM 2010, 1620 Rn 19; v. 24.1.2013 – IX ZR 108/12, WM 2013, 940 Rn 21; D. Fischer DB 2015, 2919, 2922). Der Zweck der Verjährungsregelung verlangt, an diesen Einwand strenge Anforderungen zu stellen, so dass dieser einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben voraussetzt (BGH, Urt. v. 24.1.2013 – IX ZR 108/12, a.a.O.; v. 14.11.20...