Während früher die unpfändbaren Beträge einfach mit ihrem Bruttobetrag vom Nettoeinkommen abgezogen wurden, hat das BAG in seiner Grundsatzentscheidung vom 17.4.2013 Abschied von der "Bruttomethode" genommen und entschieden, dass die unpfändbaren Beträge entweder brutto vom Brutto oder netto vom Netto abzuziehen sind (BAG, Urt. v. 17.4.2013 – 10 AZR 59/12, NJW 2013, 2924 ff.).
Das macht dem Lohnbüro keinerlei Schwierigkeiten, aber für den Anwalt ist das nur bedingt nachzurechnen, da die Steuer- und Sozialversicherungsanteile aus den unpfändbaren Beträgen herausgerechnet werden müssen und dann ein Abzug vom Nettoeinkommen erfolgt oder die unpfändbaren Beträge zunächst brutto vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind und danach von dem Restbetrag ein neues Nettoeinkommen zu bilden ist.
Praxishinweis:
In der Praxis hat es sich als praktikabel erwiesen, den Nettobetrag des unpfändbaren Gehaltsbestandteils vom auf der Abrechnung ausgewiesenen Nettoeinkommen abzuziehen. Allerdings muss dann der Nettobetrag des unpfändbaren Anteils ermittelt werden. Hilfreich dazu ist eine vom Autor mitentwickelte Arbeitshilfe in Form einer Excel-Tabelle, die kostenlos zum Download zur Verfügung steht ( www.judis.info ). Bei kleineren Beträgen liegt man mit einem überschlägigen Abzug von 35 % meist nicht völlig daneben. Zu beachten ist aber auch, dass viele unpfändbare Beträge (z.B. Aufwandsentschädigungen und Zeitzuschläge) steuer- und sozialversicherungsfrei gewährt werden, dann sind sie auf der Abrechnung bereits netto ausgewiesen und der Abzug ist einfach.
Beispiel (Lohnabrechnung):
Lohnart |
Bezeichnung |
bezahlte Menge |
Faktor |
%/EUR-Zuschlag |
St |
SV |
GB |
Betrag |
0011 |
Festbezug Arbeiter |
|
|
|
L |
L |
J |
2.250,00 |
1004 |
Hotelkostenerstattung |
|
|
|
F |
F |
J |
567,00 |
0065 |
Verpflegungsmehraufwand |
|
|
|
F |
F |
J |
528,00 |
1005 |
Reisestunden |
21,00 |
11,36 |
|
L |
L |
J |
238,56 |
1017 |
Sonntag Grundverrg. + 50 % |
8,00 |
11,36 |
150,00 |
L |
L |
J |
136,32 |
1014 |
Überstd.-Grundvergütung |
8,00 |
11,36 |
|
L |
L |
J |
90,88 |
0102 |
Nacht, Sonn- und Feiertag |
8,00 |
11,36 |
50,00 |
F |
F |
J |
45,44 |
0049 |
Reisekosten Pkw 0,30 EUR |
100,00 |
0,30 |
|
F |
F |
J |
30,00 |
0089 |
Überstundenzuschlag 25 % |
8,00 |
11,36 |
25,00 |
L |
L |
J |
22,72 |
In dieser Abrechnung sind die Hotelkostenerstattung und der Verpflegungsmehraufwand unpfändbar in Abzug zu bringen, sie sind bereits als Nettobeträge ausgewiesen (F). Die Reisestunden und die Sonntag Grundvergütung sind als Lohnfortzahlung pfändbar. Die Überstunden Grundvergütung und der Überstundenzuschlag sind zur Hälfte unpfändbar, hier muss aber zunächst der Nettobetrag gebildet werden. Der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlag i.H.v. 50 % ist ebenso unpfändbar, wie der Ersatz der Reisekosten, diese Beträge sind schon netto auf der Abrechnung ausgewiesen und daher leicht vom Nettobetrag in Abzug zu bringen.
Bekommt der Schuldner von seinem Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen, so ist dieser Zuschuss nicht pfändbar und bleibt bei der Pfändungsberechnung außer Betracht (§ 2 Abs. 7 5. VermBG; Stöber, a.a.O., Rn 921). Wenn der Arbeitnehmer einen Teil seines Nettoeinkommens auf die vermögenswirksame Anlage leistet, so sind auch diese Beträge unpfändbar gem. § 11 5. VermBG (Stöber, a.a.O., Rn 923, ausf. Grote InsbürO 2013, 38 f.).
Hat der Schuldner im Wege einer Gehaltsumwandlung eine Direktversicherung abgeschlossen, so gelten diese Beträge nicht als Arbeitseinkommen, bleiben also bei der Pfändungsberechnung unberücksichtigt (BAG, Urt. v. 17.2.1998 – 3 AZR 611/97, MDR 1998, 721; Stöber, a.a.O., Rn 918). Eine Gehaltsumwandlung nach Insolvenzeröffnung ist allerdings nicht mehr zulässig (BAG, Urt. v. 30.7.2008 – 10 AZR 459/07, NJW 2009, 167 ff.).
Hinweis:
Steuerlich zulässig ist eine Umwandlung von bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (260,00 EUR im Westen in 2018) zzgl. 150,00 EUR (§ 3 Nr. 63 EStG).
Gewährt der Drittschuldner dem Schuldner Naturalleistungen, z.B. in Form eines Dienstwagens oder einer Dienstwohnung, so hat er den Wert der Naturalleistung selbstständig zu ermitteln und dem Einkommen hinzuzuaddieren (Stöber, a.a.O., Rn 1169). Hierzu wird er sich beim Dienstwagen meist an den steuerlichen Vorschriften orientieren, denn er muss den Wert der Sachleistung ja auch versteuern und er unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Dies führt oft zu einer erheblichen Belastung des Schuldners. Alternativ ist es möglich, ein Fahrtenbuch zu führen und den Wert anhand der konkreten Nutzung zu ermitteln.
Eine Sachzuwendung Dritter, z.B. mietfreies Wohnen im Haus der Ehefrau oder der Mutter, ist dagegen nicht als pfändungserhöhend zu berücksichtigen, auch nicht durch das Gericht (BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 85/12, ZInsO 2013, 549 f.; Stöber, a.a.O., Rn 1172).