Das Sprichwort "vor Gericht und auf hoher See befindet man sich in Gottes Hand" ist allseits bekannt und wird gemeinhin mit staatlichen Gerichten in Verbindung gebracht, doch es gilt auch für kirchliche Gerichte. Denn für Rechtsuchende wie für Bevollmächtigte ist das Kirchenrecht oft undurchschaubar – und das kann erhebliche finanzielle Folgen haben.
Die Selbstverwaltung der Kirchen umfasst gem. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV, Art. 140 GG auch die Rechtsetzung und Rechtsprechung in eigenen kirchlichen Angelegenheiten. So werden etwa Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bzgl. der Mitarbeitervertretungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD, kirchenbeamtenrechtliche Angelegenheiten nach dem Kirchenbeamtengesetz der EKD, pfarrdienstrechtliche Angelegenheiten nach dem Pfarrdienstgesetz der EKD und das kirchliche Disziplinarrecht nach dem Disziplinargesetz der EKD vor eigenen Gerichten verhandelt und entschieden.
Die Kirchengerichte sind ehrenamtlich organisiert und werden mit Volljuristen und – je nach Prozessordnung – auch mit Geistlichen und Laien besetzt. Die Kirche hat sich hierbei wie auch bei den Prozessordnungen insgesamt immer stärker am staatlichen Prozessrecht orientiert.
Gleichwohl verweigern die Kirchengerichte die Übernahme staatlicher Gerichtspraxis im Hinblick auf Streit- und Gegenstandswerte sowie von Kostenerstattungsverfahren.
In einer zunächst unveröffentlichten Entscheidung etwa hatte der Kirchengerichtshof der EKD (Lutherischer Senat in Disziplinarsachen) die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren nach den besonderen Gebührentatbeständen für das Disziplinarverfahren (Ziff. 6200 ff. VV RVG) rundherum abgelehnt (vgl. Beschl. v. 10.12.2014 – 0125/1-14, abrufbar unter www.ok-kirchenrecht.de ). Die Argumentation lautete kurz und bestechend: Der staatliche Gesetzgeber habe die Kosten für kirchliche Disziplinarverfahren nicht regeln wollen und können. Dies überzeugt vordergründig.
Allerdings griff der Senat sodann zu Gebührentatbeständen nach Ziff. 2300 ff. VV RVG (außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren). Die Frage, warum der Gesetzgeber diese Tatbestände auch für das Kirchenrecht geschaffen haben soll, blieb ebenso unbeantwortet wie die Frage, warum außergerichtliche Gebühren im Instanzenzug Anwendung finden sollen. Würden dann – konsequenterweise – bei einem Verwaltungsverfahren, einem Widerspruchsverfahren sowie einem gerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz gleich viermal die Gebühren nach Ziff. 2300 VV RVG zur Abrechnung kommen? Das erscheint bei einem Quotienten von bis zu 2,5 vielleicht noch interessant. Aber finden auch die Anrechnungsvorschriften Anwendung? Rechtsprechung hierzu gibt es nicht. Auch die genannte Entscheidung aus 2014 blieb ein "Gerichtsgeheimnis", weil der Senat sie in seiner eigenen Datenbank ( www.kirchenrecht-ekd.de) bis heute nicht veröffentlicht.
Gleichwohl werden mit Verweis auf die gefestigte Rechtsprechung des Senats Kostenfestsetzungsanträge im Hinblick auf die Gebührentatbestände nach Ziff. 6200 ff. VV RVG abgelehnt. Das ist eine mitunter finanziell böse Überraschung für Rechtsuchende, ihre Rechtsschutzversicherungen und nicht zuletzt auch für die beratenden Bevollmächtigten. Eine dem Mandanten geschuldete seriöse Prognose der Verfahrenskosten ist so nicht möglich.
Gleiches gilt auch für Gerichtskosten. Häufig werden diese nicht erhoben und falls doch, können sich auch hier Überraschungen ergeben. So macht beispielsweise die Disziplinarkammer der Evangelischen Landeskirche Württembergs auch Kosten für die "Bereitstellung von Räumen" geltend. Hinter dieser Position, die im staatlichen Recht unter Ziff. 9006 der Anlage 1 zum GKG ihren Ursprung findet, verbergen sich schlicht Mieten für Säle, die die Disziplinarkammer selbst nutzt, sowie Beratungsräume für die Kammer und die beteiligten Parteien. Im Unterschied zum staatlichen Recht, das von einem existierenden Gerichtsgebäude ausgeht in dem keine Mieten anfallen, verfügt die kirchliche Disziplinarkammer in Stuttgart über keinen festen Beratungssaal. Die Ausnahmevorschrift der Vollkostenerstattung zu Lasten einer Partei wird daher überraschend zur Regel erhoben. Verhindern lässt sich dies nicht – erahnen ebenfalls kaum.
Für die im Kirchenrecht beratenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gibt es noch zwei weitere Probleme in ihrer Beratungspraxis: unberechenbare Streitwerte und überlange Verfahren.
Während in der staatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwertkatalog (abrufbar i.d.F. vom 18.7.2013 unter www.bverwg.de/rechtsprechung/streitwertkatalog) Anerkennung und Anwendung findet und sich hierdurch Prozess(kosten)risiken nahezu auf den Cent genau im Vorhinein kalkulieren lassen, fehlt es an einem kirchlichen Gegenstück hierzu.
Gelegentlich nehmen die kirchlichen Gerichte Bezug auf den staatlichen Katalog. Dies kann aber naturgemäß dort nicht gelingen, wo die Kirche eigene Rechtsinstitute geschaffen hat, für die es an einem exakten Pend...