1. AGB-Kontrolle

a) Unangemessene Verlängerung einer Kündigungsfrist

Die rechtliche Grenze der Verlängerung vertraglicher Kündigungsfristen war Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des BAG. Im Rahmen einer Feststellungsklage wollte eine Arbeitgeberin festgestellt wissen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer, der nach der Monatsfrist des § 622 Abs. 1 BGB gekündigt hatte, wegen der arbeitsvertraglich verlängerten Kündigungsfrist fortbestehe.

Der Beklagte war für die Klägerin seit dem 1.12.2009 – bei einer Wochenarbeitszeit von 45 Std. und einem Monatsentgelt i.H.v. 1.400 EUR brutto – als Speditionskaufmann tätig. Mitte 2012 trafen die Parteien eine von der Klägerin formulierte Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag, die u.a. eine Erhöhung des monatlichen Bruttogehalts auf 2.400 EUR vorsah, ab einem monatlichen Reinerlös der Klägerin von 20.000 EUR auf 2.800 EUR. Die gesetzliche Kündigungsfrist verlängerte sich nach dieser Vereinbarung für beide Seiten auf 3 Jahre zum Monatsende. Der Beklagte kündigte gleichwohl bereits das Arbeitsverhältnis durch ein Ende Dezember 2014 zugegangenes Schreiben zum 31.1.2015. Das BAG bestätigte das klageabweisende Urteil der Berufungsinstanz (BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NJW 2018, 891), da die Verlängerung der Kündigungsfrist den Beklagten nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteilige.

Diese für allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) geltende Vorschrift ist auf die vorliegende Verlängerung der Kündigungsfrist anzuwenden. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet § 307 BGB bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher auf ihre Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte (sog. Einmalbedingungen). Arbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind nach ständiger BAG-Rechtsprechung Verbraucherverträge i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB. Arbeitnehmer handeln als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB, Arbeitgeber als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB. Auf den Inhalt der Zusatzvereinbarung konnte, wie das Berufungsgericht zu Recht festgestellt hatte, der Beklagte keinen Einfluss nehmen. Die Möglichkeit der Einflussnahme, die sich auf die konkrete Klausel beziehen muss, ist nur gegeben, wenn der Verwender einer Einmalbedingung i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, deren Kerngehalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit einräumt, um seine Interessen zu wahren. Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast qualifiziert bestreiten.

Die Überprüfung der in der Zusatzvereinbarung enthaltenen Verlängerung der Kündigungsfrist ist nicht aus Gründen der Vertragsfreiheit nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB deshalb ausgeschlossen, weil es hier um eine formularmäßige Abrede zu den Hauptleistungspflichten geht. Eine Beendigungsvereinbarung in einem Aufhebungsvertrag unterliegt als solche ebenso wenig einer Angemessenheitskontrolle, wie einer als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorgesehene Abfindung. Die vorliegende Klausel regelt allerdings lediglich eine im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehenden Frage und unterliegt damit als Nebenabrede der Inhaltskontrolle.

Die Vereinbarung über die verlängerte Kündigungsfrist ist zwar nicht schon nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB – wonach eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist – unwirksam, jedoch nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als eine Regelung, die den Beklagten im Einzelfall entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche ist anzunehmen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.

 

Hinweis:

Unangemessen ist eine Benachteiligung nicht nur, wenn Arbeitnehmer einer Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist ohne jede Gegenleistung zustimmen, sondern auch, wenn die Verlängerung der Kündigungsfrist nicht angemessen kompensiert wird.

Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die zwar die Grenzen der §§ 624, 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TZBFG einhält, aber wesentlich länger ist, als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ist die Unangemessenheit auch unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) zu prüfen (Höchstgrenze von 5 ½ Jahren, § 624 BGB, § 15 Abs. 4 TzBfG). Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantiert neben der freien Wahl des Berufs die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Dazu gehört bei abhängig Beschäftigten auch die Wah...

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