Der diesjährige Anwaltstag in Leipzig (15. bis 17.5.2019) führte die Anwaltschaft in spannenden Zeiten zusammen. Forderungen nach einer Anpassung der Vergütung nach dem RVG, die neuen Beratungsangebote auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt und auch die zu hörenden Nachwuchssorgen standen im Mittelpunkt der Diskussionen auf dem Anwaltstag, der 140 Jahre nach dem Inkrafttreten der Anwaltsgesetze im Jahr 1879 stattfand.
Mit Spannung hatten viele Teilnehmer darauf gewartet, wie sich die neue Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, Edith Kindermann, präsentieren würde. Sie eröffnete den DAT in einer erfrischenden Art und Weise, deutlich und verbindlich, fordernd und darstellend, wie die deutsche Anwaltschaft ihren Teil zum Erfolg der Bundesrepublik Deutschland in 70 Jahren Grundgesetz beitragen hat.
Um weiterhin in einem gesicherten Rechtsstaat zu leben, sei, so Kindermann, aber der Zugang zum Recht für alle Bürger zu gewährleisten. Denn Zugang zum Recht bedeutet auch Zugang zur anwaltlichen Dienstleistung. Damit dieser weiterhin für alle Menschen gewährleistet ist, müssen Anwältinnen und Anwälte angemessen vergütet werden. Anlässlich des 140. Jubiläums der ersten anwaltlichen Gebührenordnung forderte Kindermann, das RVG nun zügig zu reformieren. Die Rechtsanwaltsvergütung ist zuletzt 2013 an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst worden. Die Tariflöhne sind seitdem jedoch um 16 % gestiegen. Daneben haben sich auch die Gehälter der nichtanwaltlichen Mitarbeiter und die Mieten erhöht. Jetzt müsse eine Anpassung stattfinden. Die Vergütung müsse zudem regelmäßig erhöht werden und das in kürzeren Abständen als bislang geschehen, um die Verbraucher nicht unangemessen zu belasten. Auch dürften die Gerichtsgebühren nicht wieder gleichzeitig angehoben werden, da sonst die Kosten für die Rechtsverfolgung so hoch würden, dass sie den Zugang zum Recht für rechtsuchende Bürgerinnen und Bürgern stark gefährdeten. Kindermann kritisierte, dass die Länder die Forderungen bisher so nicht mittrügen, sondern darauf verwiesen, dass dann auch die Gerichtskosten erhöht werden müssten, damit der Kostendeckungsgrad in der Justiz erhalten bleibe. „Justiz muss sich nicht rechnen” betonte Kindermann, sondern Justiz sei Teil der vom Staat zu gewährenden Daseinsvorsorge.
So recht wollte das die Staatssekretärin Christiane Wirtz, die die Bundesjustizministerin Katarina Barley vertrat, nicht aufgreifen, sondern verwies auf die Justizministerkonferenz im Juni 2019, die sich dann mit dem Thema intensiver befassen wolle. Sie ging vielmehr auf Planungen des BMJV zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht ein. Nunmehr solle in absehbarer Zeit ein Eckpunktepapier (das eigentlich schon für das 1. Quartal 2019 angekündigt worden war) zum Berufsrecht vorgelegt werden. So solle die interprofessionelle Sozietät kommen, das Verbot der Fremdkapitalfinanzierung könne leicht gelockert und ein optionales Kanzleipostfach eingeführt werden. Am Rande der Veranstaltung wurde das Fehlen der Bundesjustizministerin auf dem DAT kritisiert, besonders da Barley noch am Vorabend des DAT einen Wahlkampfauftritt in Leipzig absolvierte.
Kindermann, viel unterwegs in den regionalen Anwaltvereinen, hob weiter hervor: „Ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat muss jeder und jedem Einzelnen die Mittel an die Hand geben, die notwendig sind, um seine bzw. ihre Rechte wahrzunehmen”. Die Politik müsse diese Rahmenbedingungen aufrechterhalten und dürfe den einzelnen Menschen bei der Durchsetzung seiner Rechte nicht allein lassen. Jeder müsse bei Bedarf einen Rechtsanwalt konsultieren können. In der Fläche sei das aber zunehmend schwierig. „Auf dem Land zeichnet sich bei Allgemeinanwälten ein ähnlicher Mangel ab wie bei Allgemeinmedizinern”, warnt Kindermann. Kommunen sollten sich rechtzeitig überlegen, wie sie eine Anwaltsversorgung sicherstellen könnten, wenn Kanzleien schlössen. Man könne darüber nachdenken, Büros von kommunaler Seite zur Verfügung zu stellen, um Anwälten Beratungen vor Ort zu ermöglichen, meinte sie etwa.
Kindermann setzte sich aber auch kritisch mit Überlegungen der Bundesregierung zur Reform der StPO auseinander: Ein Eckpunktepapier sieht weitreichende Maßnahmen vor, die erneut die Argumentationslinie der angeblich prozessbehindernden Strafverteidigung bedienen. Dass sich Politik und Justiz zugleich bei der Dokumentation der Hauptverhandlung derart sträuben, bleibe unverständlich, so die DAV-Präsidentin. Nach derzeitigem Stand bietet die StPO bereits ausreichend Möglichkeiten zur Ablehnung missbräuchlicher Befangenheits- und Beweisanträge. Erst im Sommer 2017 wurde zudem eine Einschränkung des Beweisantragsrechts durch die Möglichkeit der Fristsetzung für Beweisanträge eingeführt. „Beweisantragsrechte sind das verfassungsrechtlich verbürgte Recht des Angeklagten auf sachliche Teilhabe am Beweisstoff”, mahnte die Präsidentin. „Sie dienen nicht der Verfahrensbehinderung, sondern sind oft die einzige Möglichkeit des Angeklagten, auf die Beweiserhebung in der Hauptverhandl...