a) Gerichtliche Vertretung
Zwischen den Parteien des vor dem BGH anhängigen Rechtsstreits war unstreitig, dass der beklagten Anwaltssozietät eine Verfahrensgebühr, eine Terminsgebühr, die Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer angefallen war. Die beiden Gebühren hatte der Kläger auf der Grundlage der Streitwertfestsetzung i.H.v. 90.549,87 EUR berechnet. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass diese Festsetzung gem. § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren der Anwälte maßgebend ist (s. BGH RVGreport 2013, 484 [Hansens] = zfs 2013, 706 m. Anm. Hansens = AGS 2013, 524; BGH RVGreport 2018, 150 [Hansens] = AGS 2018, 60). Diese Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwerts im Ausgangsprozess war nach Auffassung des BGH auch für den hiesigen Honorarrechtsstreit bindend. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit decke. Sei dies nicht der Fall, könnten die Anwälte ihre Gebühren entsprechend ihrer weitergehenden Tätigkeit gegen den Mandanten geltend machen (BGH RVGreport 2018, 150 [Hansens] = AGS 2018, 60).
b) Vorgerichtliche Vertretung
Hier war zwischen den Parteien unstreitig, dass den Beklagten für ihre vorprozessuale Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angefallen war, die gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist.
Der BGH hat darauf hingewiesen, dass die Vorinstanzen Feststellungen zur Gebührenhöhe und zum Gegenstandswert für diese Geschäftsgebühr nicht getroffen haben. Dies habe zur Folge, dass nicht festgestellt werden könne, ob und in welcher Höhe die Vergütung für die vorgerichtliche Tätigkeit überzahlt worden sei.
c) Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer
Im Rechtsstreit hatte die beklagte Sozietät geltend gemacht, hinsichtlich der Höhe der Geschäftsgebühr sei ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Sachsen einzuholen. Der BGH hat hierzu bemerkt, dass diesem Beweisantritt gem. § 14 Abs. 2 RVG nachzugehen sei.
Ob dies zutreffend ist, halte ich für zweifelhaft. Gemäß § 14 Abs. 2 RVG hat das Gericht nämlich ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer nur dann einzuholen, soweit die Höhe der verfahrensgegenständlichen Rahmengebühr streitig ist. Ein solcher Streit besteht jedoch erst dann, wenn der Rechtsanwalt seine Vergütung abgerechnet hat. Ansonsten könnte ein Rechtsanwalt die von ihm gem. § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmende Bestimmung der Rahmengebühr auf den Vorstand der Rechtsanwaltskammer verlagern. Der hier vorliegende Fall, dass die Anwälte die Höhe der ihnen angefallenen, aber nicht von ihnen abgerechneten Geschäftsgebühr bestreiten, hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 RVG nicht im Blick gehabt. Die Einholung eines Gutachtens des Vorstands der zuständigen Rechtsanwaltskammer kommt deshalb m.E. erst dann in Betracht, wenn die beklagte Anwaltssozietät dem Kläger eine den Anforderungen des § 10 RVG genügende Kostenberechnung für ihre außergerichtliche Tätigkeit erteilt und dabei auch die insoweit erhaltenen Vorschüsse abgerechnet hat. Nur wenn der Kläger dann die Höhe der abgerechneten Geschäftsgebühr bestreitet, kommt überhaupt die Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer in Betracht.
Im Übrigen kann ich auch der Formulierung des BGH, dem „Beweisantritt” der beklagten Anwaltssozietät dürfte nachzugehen sein, nicht folgen. Vielmehr ist das in § 14 Abs. 2 RVG geregelte Gutachten eine amtliche Auskunft, die das Gericht von Amts wegen einzuholen hat, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Vorschriften des Verfahrensrechts über die Beweiserhebung sind deshalb nicht anwendbar, da es sich gerade nicht um eine Beweisaufnahme handelt (AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, a.a.O., § 14 Rn 115 f.; Hansens, ZAP F. 24, S. 499 ff.; BVerwG RVGreport 2018, 155 [Hansens] für die Einholung eines Gutachtens der Steuerberaterkammer; KG RVGreport 2012, 342 [Hansens] = AGS 2012, 599: Das Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer ist kein Sachverständigengutachten, das im Rahmen einer förmlichen Beweisaufnahme eingeholt wird).