Die Erste Entscheidung vom 25.10.2018 (BAG, Urt. v. 25.10.2018 – 8 AZR 501/14, NZA 2019, 455) ist das Urteil im Fall "Egenberger". Nach der Vorlageentscheidung an den EuGH setzt das BAG nun die Vorgaben des EuGH um und verurteilt die Beklagte zu einer Entschädigungszahlung.
Die konfessionslose Klägerin (Sozialpädagogin FH), ohne Hochschulabschluss, bewarb sich auf die befristete Stelle einer Referentin im Projekt "Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention". Aufgabe war es u.a. die Diakonie Deutschland projektbezogen gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik und Menschenrechtsorganisationen zu vertreten. Erwartet wurde u.a. ein Hochschulabschluss in Rechtswissenschaften o.Ä. Die Klägerin erhielt eine Absage. Eingestellt wurde ein Bewerber deutsch-ghanaischer Herkunft, mit politikwissenschaftlichem Universitätsstudium, englischsprachiger Diplomarbeit und sehr guten Noten, der seit Februar 2008 an einer Promotion mit internationalem Bezug arbeitete und sich als in der Berliner Landeskirche sozialisierter evangelischer Christ bezeichnete.
Die Klage hat vor dem Achten Senat Erfolg. Die objektive Eignung ist keine Voraussetzung eines Schadenersatzanspruchs. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG musste nach der Vorgabe des EuGH wegen Unionsrechtwidrigkeit unangewendet bleiben. Das BAG prüft deshalb § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG. Dieser ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Das war vorliegend nach Ansicht des BAG nicht gegeben. Konfessionslose würden durch die Anforderung der Kirchenzugehörigkeit unmittelbar benachteiligt. Der Achte Senat folgt dem EuGH und verneint einen gerichtlich nicht überprüfbaren aus dem grundgesetzlich (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV) geschützten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen folgenden Ermessenspielraum der Kirchen bei der Festlegung der Anforderungen an die ausgeschriebenen Stellen. Dies gilt auch bei akademischen Stellen mit Außenwirkung, wie vorliegend. Das BAG wendet den Maßstab an, dass jedem Konfessionslosen das theoretische Erlernen der kirchlichen Position und deren Anwendung möglich ist. Danach gilt: Die Klägerin als konfessionslose hätte die kirchliche Position vertreten können und wurde durch die objektiv nicht gerechtfertigte Anforderung der Kirchenzugehörigkeit unmittelbar diskriminiert, weshalb Entschädigung zuzuerkennen war.
Hinweise:
- Das grundgesetzlich geschützte kirchliche Selbstbestimmungsrecht unterlag nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG keiner vollständigen Rechtskontrolle. Die Kirchen und deren Organisationen Diakonie und Caritas durften entscheiden, welche berufliche Anforderung sie stellten. Dabei haben die Gerichte nach der Nähe zum Ethos differenziert. Die vorliegende Entscheidung geht einen völlig neuen Weg umfassender Rechtskontrolle. Der Achte Senat prüft selbst, ob die Anforderung der Zugehörigkeit zu einer Kirche für die auszuübende Tätigkeit objektiv erforderlich ist.
- Mit Wirkung zum 1.1.2017 hat die evangelische Kirche ihre Richtlinie geändert. Beschäftigte in Verkündigung, Seelsorge, kirchliche Bildung und Leitung müssen weiterhin evangelisch sein oder einer anderen christlichen Kirche (ACK) angehören. Für alle übrigen Aufgaben können Personen eingestellt werden, "die keiner christlichen Kirche angehören, sofern es nach Art der Aufgabe unter Beachtung der Größe der Dienststelle oder Einrichtung und ihrer sonstigen Mitarbeiterschaft sowie des jeweiligen Umfelds vertretbar und mit der Erfüllung des kirchlichen Auftrags vereinbar ist" (§ 3 Abs. 2 S. 1., ABl EKD 2017, 11). Raum für Auseinandersetzungen dürfte nur noch im Bereich der kirchlichen Bildung und Leitung verbleiben; wie weit reicht dieser?
- Die Arbeitgeberin hat gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eingelegt.
- Zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ausführlich demnächst Gundel/Bieniek, Der EuGH und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, Festschrift für Moll 2019.