1. Gleitzonenregelung (§ 20 Abs. 2 SGB IV) auch im Altersteilzeitarbeitsverhältnis anwendbar
§ 20 Abs. 2 SGB IV definiert die Gleitzone, die vorliegt bei einem Beschäftigungsverhältnis mit einem daraus erzielten Arbeitsentgelt zwischen 450,01 EUR und 850,00 EUR. Bei dieser Verdiensthöhe besteht als beitragsrechtliche Besonderheit, dass der Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung in voller Höhe anfällt, der Arbeitnehmerbeitrag je nach Verdienst reduziert ist und progressiv ansteigt von rund 4 % bei 450,01 EUR auf den vollen Beitrag bei 850 EUR.
Das BSG hatte am 15.8.2018 (B 12 R4/18 R) über folgenden Sachverhalt zu befinden: Die Arbeitsvertragsparteien hatten eine Altersteilzeitvereinbarung geschlossen. Die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmerin wurde hierin von ursprünglich 16 auf 8 Stunden wöchentlich reduziert, mit einer gleichzeitigen Verringerung ihres monatlichen Arbeitsentgelts von 900 EUR auf 450 EUR, das sich später auf 490 EUR und dann auf 540 EUR erhöhte. Der Arbeitgeber entrichtete aus diesen Entgelten Gesamtsozialversicherungsbeiträge (§ 28e SGB IV) und legte hierbei die für die Gleitzone geltenden Vorschriften zugrunde. Dem trat die Deutsche Rentenversicherung Bund bei einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV entgegen, weil sie die für die Gleitzone geltenden Vorschriften für nicht anwendbar hielt, wenn sich das Arbeitsentgelt aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung verringert. Dem folgt das BSG nicht, die Klage des Arbeitgebers war erfolgreich. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien lasse sich eine solche Einschränkung – Beschränkung auf bestimmte Personengruppen – entnehmen.
Hinweise:
- Der Arbeitgeber kann den von den Arbeitnehmern zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen – also regelmäßig nicht mehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses –, wobei ein unterbliebener Abzug grundsätzlich nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden kann, § 28g S. 2 und 3 SGB IV. Ausnahmen hiervon ergeben sich vor allem aus § 28g S. 4 SGB IV.
- Mit Wirkung ab 1.7.2019 heißt die Gleitzone "Übergangsbereich" (einen Grund für die Umbenennung nennt der Gesetzheber nicht) und wird ausgedehnt auf Einkommen bis 1.300 EUR. Die Entscheidung des BSG dürfte auch auf das neue Recht Anwendung finden. Ferner beseitigt der Gesetzgeber ab diesem Zeitpunkt Nachteile im Leistungsrecht der Rentenversicherung: Trotz Zahlung verringerter Beiträge werden künftig dem Bruttoentgelt entsprechende Rentenansprüche erworben. Erreicht wird dies durch Einfügen der Vorschrift des § 70 Abs. 1a SGB VI.
2. Unwiderrufliche Freistellung und Arbeitslosengeld/Bemessungshöhe (Rechtsprechungsänderung)
Das BSG hatte darüber zu entscheiden, ob Lohnzahlungen während Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung für die Höhe des Arbeitslosengelds relevant sind (BSG, Urt. v. 30.8.2018 – B 11 AL 15/17 R, hierzu Reichenberger NZA 2019, 87). Die Klägerin vereinbarte durch Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.4.2012, gleichzeitig die unwiderrufliche Freistellung von ihrer Arbeitsleistung ab dem 1.5.2011. Während des Freistellungszeitraums zahlte die Arbeitgeberin die monatliche Vergütung weiter.
Die hier streitgegenständliche Höhe des von der Klägerin beanspruchte Arbeitslosengeld bestimmt sich nach § 149 SGB III, der abstellt auf das pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt, s. § 153 SGB III), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die Arbeitslosen im Bemessungszeitraum erzielt haben (Bemessungsentgelt, s. § 151 SGB III).
Gemäß § 150 Abs. 1 S. 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Dieser beläuft sich nach näherer Maßgabe der Vorschrift des § 150 Abs. 1 S. 2 SGB III grundsätzlich ein Jahr, er wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, § 150 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB III. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf 2 Jahren erweiterten Bemessungsrahmen nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, § 152 Abs. 1 S. 3 SGB III. Dieses richtet sich nach einer der in § 152 Abs. 2 SGB III angeführten vier Qualifikationsgruppen und ist oft ungünstiger als die Bemessung nach dem tatsächlich erzielten Entgelt.
Die Beklagte ließ bei der Bemessung die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung außer Betracht. Es ergab sich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt von weniger als 150 Tagen im erweiterten Bemessungsrahmen. Die Beklagte bewilligte – fiktiv bemessen – Arbeitslosengeld i.H.v. täglich 28,76 EUR. Das Berufungsgericht hat der Klägerin unter Zugrundelegung des tatsächlichen Entgelts einen Anspruch i.H.v. täglich 58,41 EUR zugesprochen und die Revision zugelassen. Diese blieb erfolglos.
Das aus der Beschäftigung folgende Versicherungspflichtverhältnis (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III) bestand auch während des Freistellungszeitraums (1.5.2011 bis 30...