a) Rechtsmissbrauch gem. § 242 BGB
Eine Eigenbedarfskündigung kann rechtsmissbräuchlich sein und gegen § 242 BGB verstoßen, wenn die Eigenbedarfsgründe schon bei Abschluss des Mietvertrags vorgelegen haben, der Vermieter sich also den Vorwurf unzureichender Bedarfsvorschau entgegenhalten lassen muss (BGH, Urt. v. 4.2.2015 – VIII ZR 154/14, NJW 2015, 1087; BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, WuM 2010, 512). Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz des Kündigungsrechts, dass Gründe, von denen der Kündigende bereits bei Mietvertragsschlussgewusst hat, später nicht mehr zur Begründung der Kündigung herangezogen werden können (OLG München, Beschl. v. 5.3.2009 – 32 U 1751/09, WuM 2009, 358). Nach Meinung des BGH liegt ein Rechtsmissbrauch erst dann vor, wenn in der Person des Vermieters ein über die Fahrlässigkeit hinausgehendes subjektives Element, nämlich die "Absicht" (das "Entschlossensein") vorliegt, den Wohnraum einer baldigen Eigennutzung zuzuführen, oder er zumindest eine solche Nutzung ernsthaft erwogen hat (BGH, Urt. v. 4.2.2015 – VIII ZR 154/14, NJW 2015, 1087; LG München I, Urt. v. 7.1.2015 – 14 S 2367/14, NZM 2015, 932; Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2018, Stand: 30.3.2020, § 573 BGB Rn 113a).
Hinweis:
In der Rechtsprechung wurde in diesem Zusammenhang eine Kündigung für unwirksam erklärt, weil die Eheschließung des Vermieters vorhersehbar war, weil diese oder das Zusammenziehen mit der Lebensgefährtin unmittelbar bevorstand (BGH, Beschl. v. 6.7.2010 – VIII ZR 180/09, WuM 2010, 512).
Da der Vertrauensgrundsatz nur bei mangelnder Aufklärung des Mieters über die beabsichtigte spätere Eigennutzung eingreifen kann, genügt es, dass der Vermieter diese Absicht dem Mieter spätestens bei Vertragsabschluss offenbart, um den Einwand des Rechtsmissbrauchs auszuschließen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Mieters entsteht, welcher für § 242 BGB erforderlich ist (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2018, Stand: 30.3.2020, § 573 BGB Rn 117 m.w.N.).
b) Überhöhter Wohnbedarf
Eine Kündigung ist ferner rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam, wenn der Vermieter einen weit überhöhten Wohnbedarf geltend macht (BVerfG, Urt. v. 14.2.1989 – 1 BvR 308/88, NJW 1989, 970; BGH, Urt. v. 4.3.2015 – VIII ZR 166/14, NJW 2015, 1590). Die Gerichte müssen die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und konkreter Würdigung aller Einzelfallumstände treffen (BGH, a.a.O.). Eine absolute Obergrenze im Verhältnis der Anzahl der Personen zur Wohnfläche ist ebenso wenig gegeben wie konkrete Richtwerte, vielmehr muss immer eine umfassende Interessenabwägung erfolgen.
Hinweis:
Nach der dem Beschluss des BGH vom 21.8.2018 (VIII ZR 186/17, NZM 2018, 983), in welchem der BGH eine Eigenbedarfskündigung gebilligt hat, bei der eine (dritte) Wohnung in einem Vier-Familienhaus als Ferienwohnung für zweimal ein bis zwei Wochen im Jahr durch den Vermieter genutzt werden sollte, ist eine Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung wegen überhöhten Wohnbedarfs praktisch ausgeschlossen. Die bis dahin ergangene Instanzenrechtsprechung dürfte damit überholt sein.
c) Wegfall der Nutzungsabsicht
Fällt der Eigenbedarf nach Ausspruch der Kündigung und bis zum Ende der Kündigungsfrist weg, ist das Festhalten des Vermieters an der Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich und verstößt demgemäß gegen § 242 BGB (BGH, Urt. v. 9.11.2005 – VIII ZR 339/04, NJW 2006, 220). Zu Recht wird in der Literatur ein anderer Ansatz gewählt und ausgeführt, dass der Vermieter in einem solchen Fall aus § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, dem Mieter den Abschluss eines neuen Mietvertrags zu unveränderten Bedingungen anzubieten (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2018, Stand: 30.3.2020, § 573 BGB Rn 121; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 573 BGB Rn 118 u. 73).
d) Alternativobjekte vorhanden
Ein weiterer Einwand des Mieters aus § 242 BGB besteht darin, dass eine oder mehrere freie Wohnungen zur Verfügung stehen, die als Alternativobjekte für den kündigenden Vermieter in Frage kommen, wobei es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Eigenbedarfskündigung ankommt. Allgemein gilt, dass der Vermieter nur dann auf eine Alternativwohnung verwiesen werden kann, wenn der von ihm selbst bestimmte Wohnbedarf darin ohne wesentliche Abstriche verwirklicht werden kann (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2018, Stand: 30.3.2020, § 573 BGB Rn 116 m.w.N.). Die Kündigung ist auch trotz Vorliegens eines Alternativobjekts nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe hat, gerade die vermietete Wohnung in Anspruch zu nehmen (BVerfG, Urt. v. 14.2.1989 – 1 BvR 308/88, NJW 1989, 970).
Hinweis:
Die Anforderungen der Instanzenrechtsprechung an einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund sind sehr weit gefasst: So wurde es als vernünftiger Grund akzeptiert, dass die Alternativwohnung zu groß oder zu klein war oder über stärkeren Verkehrslärm verfügte. Prozessual besteht für den Mieter aber die Möglichkeit, gem. § 242 BGB vom Vermieter Auskunft über dessen Grundbesitz zu verlangen und...