Ein weiterer individualvertraglicher Anknüpfungspunkt für Vertragserschwerungen in Krisenzeiten sind sog. Hardship-Klauseln (Härtefallklauseln). Diese finden sich nicht nur, aber überwiegend im europäischen und internationalen Recht, beispielsweise in Investitionsschutz- und -förderungsverträgen. Während Force-Majeure-Klauseln in der Regel versuchen, die Verantwortung des Schuldners für die Unmöglichkeit der Leistung auf Tatbestandsebene auszuschließen und eine Befreiung von der Leistungsverpflichtung herbeizuführen, regeln Hardship-Klauseln keine (zumindest vorübergehende) Unmöglichkeit der Vertragserfüllung. Ziel dieser Bestimmungen ist vielmehr die Anpassung der vertraglichen Rechte und Pflichten, sofern es sich um eine Erschwerung der Vertragsdurchführung oder eine vorübergehende Störung handelt (im deutschen Recht als "wirtschaftliche Unmöglichkeit" bekannt). Voraussetzung ist hierbei, dass die Veränderung der ursprünglichen Gegebenheiten tiefgreifender und unvorhersehbarer Natur ist, diese außerhalb des Einflussbereichs der Vertragsparteien liegt und hierdurch eine derartige Beeinträchtigung der Vertragsbalance eintritt, dass die weitere Vertragsausführung zumindest für eine Partei eine unbillige Härte darstellt. Insofern bestehen inhaltliche Parallelen zur Störung der Geschäftsgrundlage im deutschen Recht.

Die typische Hardship-Klausel weist – wie die Force-Majeure-Klausel – eine Tatbestands- und eine Rechtsfolgenseite auf. Ein Härtefall wird regelmäßig definiert als jedes Ereignis rechtlicher, technischer, politischer oder finanzieller Art, welches nach Vertragsabschluss eintritt und zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses trotz größter Sorgfalt nicht vorhersehbar war. Mithin sind in den Hardship-Klauseln auch Elemente des Force-Majeure-Begriffs enthalten. So muss der Umstand, der zur Erschwerung der Vertragsdurchführung führt, unvorhersehbar und außergewöhnlich sein. In diesem Zusammenhang kann nicht bezweifelt werden, dass es sich bei COVID-19 um einen zumindest bis zum Beginn des Jahres 2020 unvorhersehbaren und außergewöhnlichen Umstand handelt, der durchaus einen Härtefall für eine bzw. beide Parteien auslösen kann. Eine zweite Komponente bildet die Unbeherrschbarkeit des Umstands. Sofern ein Risiko aus der Sphäre einer Partei stammt und diese den Umstand zu verantworten hat, weisen die allgemeinen Wertungen dieser Partei die nachteiligen Auswirkungen zu. Mithin darf das Risiko nicht aus der Sphäre einer der Parteien stammen, um einen Härtefall für beide Seiten annehmen zu können.

Auf der Rechtsfolgenseite unterscheiden sich Hardship-Klauseln von den Force-Majeure-Klauseln grundlegend. Es werden Möglichkeiten vorgesehen, die dazu dienen, die Rechte und Pflichten der Parteien an die neue veränderte Situation anzupassen, mit anderen Worten: den Vertrag neu zu verhandeln (Anpassung in Form der Nach- bzw. Neuverhandlung). Die Vertragsbeendigung sollte hierbei in der Regel nur ultima ratio sein.

 

Hinweis:

In manchen Jurisdiktionen, beispielsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), ist die Hardship-Klausel im Gesetz kodifiziert (Art. 249 Civil Code UAE). Danach kann das Gericht bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände öffentlicher Natur, aufgrund derer die Erfüllung eines Vertrags für eine Partei immens erschwert wird, die Verpflichtungen beider Parteien unter Berücksichtigung von deren Interessen auf ein angemessenes Maß anpassen.

Die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten der Klausel sind vielseitig, sodass es beispielsweise möglich ist, einer Partei eine einseitige Option auf Vertragsanpassung einzuräumen oder bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das vertragliche Pflichtenprogramm entweder einer oder beider Parteien zu modifizieren. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Preisanpassungsklauseln aufzunehmen. Damit können etwa die vertraglich vereinbarten Preise an die gegenwärtige Situation (etwaige Mehrkosten oder gar Verluste) angepasst werden. Schließlich kann auch eine Nachverhandlungspflicht der Parteien bei Eintritt bestimmter, vorher definierter Situationen vereinbart werden.

In Bezug auf COVID-19 kommt es maßgeblich darauf an, ob Epidemien oder Pandemien in der jeweiligen Klausel enthalten sind oder nicht. Im Vergleich zu Force-Majeure-Klauseln werden Hardship-Klauseln zwar regelmäßig eine geringere tatbestandliche Eingriffsschwelle haben, allerdings werden auch in diesem Rahmen bloße Leistungserschwerungen grds. nicht ausreichen, um eine unbillige Härte zu begründen. Ob die Corona-Pandemie an sich und daraus resultierende Unterbrechungen in der Lieferkette geeignet sind, den Tatbestand zu verwirklichen und die entsprechenden Rechtsfolgen auszulösen, wird sich nicht pauschal beantworten lassen. Denkt man an den internationalen Anlagenbausektor (mit den Problemen von Arbeitskräftemangel und Lieferengpässen von Baumaterialien), wird man geneigt sein, einen Härtefall anzunehmen. Schwankungen in der Wirtschaft aufgrund von COVID-19 erscheinen hingegen wohl nicht als außergewöhnlicher Umst...

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