1. Rückabwicklung eines (vermeintlich) freien Mitarbeiter-Rechtsverhältnisses
Der Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits war zwischen 2001 und 2009 bei der gemeinnützigen Klägerin, deren Unternehmensgegenstand die Durchführung von Maßnahmen der Arbeitsförderung aufgrund eines Dienstleistungsvertrags ist, u.a. mit Tätigkeiten zur Errichtung, Beratung und Durchführung der administrativen Tätigkeiten des Computernetzwerks beschäftigt. Das für jede tatsächliche Stunde geleistete Honorar belief sich zunächst auf rund 28 EUR, später auf 50 EUR. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung des Beklagten, stellte auf seinen Antrag nach § 7a SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass er während seiner gesamten Tätigkeit bei der Klägerin der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag. Die dagegen von der Klägerin nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage wies das LSG durch Urt. v. 9.4.2011 rechtskräftig ab. Die Klägerin wurde dann für die Zeit von Dezember 2004 bis März 2009 auf Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung herangezogen, wobei sich die Arbeitgeberanteile auf rund 6.000 EUR beliefen. Mit ihrer am 11.8.2015 eingereichten Klage begehrte die Klägerin für die Zeit vom 1.2.2001 bis einschließlich 16.3.2009 die Rückzahlung "zu viel" geleisteter Honorare i.H.v. rund 106.603 EUR und Erstattung von Arbeitgeberanteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag i.H.v. ca. 6.000 EUR. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die von der Klägerin eingelegte und vom LAG zugelassene Revision war in Form der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich (BAG, Urt. v. 26.6.2019 – 5 AZR 178/18, NZA 2019, 1558, hierzu Zieglmeier, NZS 2020, 39; Wenner, SoSi plus 3/2020, 1 und Fischer, juris PR-ArbR 46/2019 Anm. 1).
Nach der Rechtsprechung des Senats – das BAG verweist insofern auf seine Entscheidungen vom 21.11.2001 – 5 AZR 87/00 und vom 12.1.2005 – 5 AZR 144/04 – kann der Arbeitgeber nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ggf. die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Mit einer solchen Feststellung steht zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten war und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand, soweit die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar.
War anstelle eines Honorars für die Tätigkeit im Arbeitsverhältnis eine niedrigere Vergütung zu zahlen, umfasst der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers nicht sämtliche Honorarzahlungen, sondern nur die Differenz zwischen den beiden Vergütungen. Zwischen den Parteien hat im Streitraum kein freies Dienstverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis bestanden. Das folgt zwar nicht aus dem Urteil des LSG, das sich mit dem Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV zu befassen hatte. Der in dieser Vorschrift legaldefinierte sozialversicherungsrechtliche Begriff der Beschäftigung umfasst zwar das Arbeitsverhältnis, ist mit diesem jedoch nicht vollkommen deckungsgleich. Allerdings haben vorliegend die Parteien nach rechtskräftigem Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend vorgetragen, der Beklagte sei im Rahmen seiner Beschäftigung bei der Klägerin Arbeitnehmer gewesen. Daran anknüpfend hat das LAG, so das BAG, zu Recht festgestellt, bei dem Rechtsverhältnis der Parteien handele es sich um ein Arbeitsverhältnis.
Eine für freie Mitarbeit individuell getroffene Vergütungsvereinbarung kann i.d.R. nicht zugleich für eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis als maßgeblich angesehen werden. Für eine solche Annahme bedarf es vielmehr besonderer Anhaltspunkte, die vom Arbeitnehmer darzulegen sind. Fehlt es daran, wie im vorliegenden Fall, ist auf die nach § 612 Abs. 2 BGB übliche Vergütung abzustellen, denn die Parteien haben über die Höhe der von der Klägerin geschuldeten Arbeitsvergütung keine Vereinbarung getroffen, die Arbeit des Beklagten war nach § 612 Abs. 1 BGB jedoch von der Klägerin nur gegen Vergütung zu erwarten.
Hinsichtlich der Höhe des Bereicherungsanspruchs entscheidet das BAG, dass sich der Arbeitgeber bei der Rückzahlung überzahlter Honorare nicht nur die im Arbeitsverhältnis geschuldete Bruttovergütung, sondern auch die hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) anrechnen lassen muss.
Das BAG hält den Anspruch der Klägerin für nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Das wäre der Fall, wenn die Klägerin die Leistungen an den Beklagten in positiver Kenntnis der Nichtschuld erbracht hätte, also gewusst hätte, dass dieser tatsächlich Arbeitnehmer ist. Das Gericht stellt insoweit nicht auf die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit ab, die der Klägerin natürlich bekannt waren, sondern auf die rechtliche Wertung und verneint insoweit positive Kenntnis. Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung, selbst wenn diese auf grob fahrlässigem Verhalten beruht, reichen insoweit nicht...