In einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz Anfang Mai haben Sachverständige den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (vgl. dazu zuletzt ZAP Anwaltsmagazin 4/2021, S. 163) deutlich kritisiert. Während die Vertreter der Anwaltsverbände und der Legal-Tech-Branche, um die es in dem Entwurf in erster Linie geht, naturgemäß diametrale Positionen vertraten, gaben die angehörten Rechtswissenschaftler differenziertere Stellungnahmen ab.
So begrüßte der Vorstandsvorsitzende des Legal Tech Verbands Deutschland Philipp Plog das Vorhaben uneingeschränkt. Er erläuterte die Entwicklungsgeschichte der Unternehmen der Branche, die der Wunsch nach einer fairen und vernünftigen Öffnung des Rechtsmarktes verbinde. Der Verband bringe Akteure des Rechtsmarkts unabhängig von ihrer Berufssparte zusammen, um das enorme Potenzial von Technologie für die Weiterentwicklung von Rechtsberatung einzusetzen. Gerade die Mitglieder des Legal Tech Verbands hätten in einigen Rechtsgebieten den Zugang zum Recht maßgeblich verbessert. Aus der Sicht von Plog will die Bundesregierung mit ihrem Reformvorhaben im Rechtsdienstleistungsgesetz, der Bundesrechtsanwaltsordnung und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Leitplanken für ein faires Spielfeld zwischen den unterschiedlichen Anbietern von Rechtsdienstleistungen etablieren. Dies werde unterstützt. Die Reform bringe eine dringende Verbesserung der Rechtssicherheit für Legal Tech-Anbieter, die als Inkassodienstleister operieren. Der Gesetzentwurf stelle endlich klar, dass Ansprüche von Geschädigten gebündelt und finanziert werden dürfen, und dass diese Geschäftsmodelle nicht auf die außergerichtliche Durchsetzung von Forderungen beschränkt werden dürfen.
Dagegen sprach sich der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Dr. Ulrich Wessels, in seiner Stellungnahme klar gegen den Gesetzentwurf aus. Die BRAK nehme die Vorlage zum Anlass, erneut auf die äußerst kritischen und massiven Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Rolle der Anwaltschaft und damit auf den Rechtsstaat insgesamt hinzuweisen. Der Ansatz, einen sich unterhalb der Anwaltschaft etablierenden Rechtsdienstleistungsmarkt weiter zu fördern, werde vehement abgelehnt. Unter der Fahne „Verbraucherschutz” werde letztlich nichts anderes vorgeschlagen als ein „Legal Tech-Gesetz”. Verbraucherschutz werde damit nicht erreicht, vielmehr gehe es inhaltlich um Geschäftsinteressen.
Edith Kindermann, die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, erklärte, das Anliegen der Bundesregierung sei zwar berechtigt. Der Entwurf greife aber zu kurz. Es gehe nicht um eine Neuverteilung des Rechtsdienstleistungsmarktes, sondern darum, verstärkt in den Blick zu nehmen, auf welche Weise Beteiligte Konflikte lösen oder Konflikte vermeiden und welche Formen ihnen zur Verfügung stehen. Deswegen seien auch die verstärkten Möglichkeiten der Verbraucherschlichtung mit zu berücksichtigen und die Möglichkeit der kollektiven Durchsetzung von Verbraucherinteressen mit einzubinden. Über die Möglichkeiten der Beratungshilfe gebe es in Deutschland einen flächendeckenden qualifizierten Zugang zum Recht. Es könne nicht sein, dass Verbraucher ihre Rechte nur durchsetzen könnten, wenn sie etwas beisteuerten.
Der Hannoveraner Rechtsanwalt Volker Römermann, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin, erklärte in seiner schriftlichen Stellungnahme, es sei überfällig, dass der Entwurf das gesamte Geschehen von Rechtsdienstleistungen in den Blick nehme. Rechtsdienstleister sollten Rechtssicherheit über die Zulässigkeit ihres Geschäftsmodells erhalten können. Versuche, dies zu verhindern, seien zum Scheitern verurteilt.
Der Berliner Rechtsanwalt und Mediator Markus Hartung erklärte, nichtanwaltliche Rechtsdienstleister böten mit Hilfe innovativer Software einen sehr einfachen und für den Kunden risikolosen Service an. Insgesamt erweise sich der Gesetzentwurf als ein guter Weg, um den aus der Balance geratenen Rechtsdienstleistungsmarkt wieder ins Lot zu bringen. Dass dies mit Änderungen im anwaltlichen Berufsrecht verbunden sei, die, obwohl innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens, für traditionelle Standesvertreter nicht leicht zu verdauen seien, müsse hingenommen werden.
Prof. Martin Henssler von der Universität zu Köln verwies darauf, dass seit der Erweiterung der Rechtsdienstleistungsbefugnisse von Inkassounternehmen durch den BGH mit der aufsehenerregenden Entscheidung in der Sache „wenigermiete.de” eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestehe. Im Kern geht es bei der anstehenden Reform darum, einerseits einen rechtssicheren Regelungsrahmen für die neuartigen Formen von Inkassodienstleistungen zu schaffen und andererseits Wettbewerbsnachteile der Rechtsanwaltschaft gegenüber anderen Rechtsdienstleistern, die keinen vergleichbaren berufsrechtlichen Restriktionen unterliegen, zu beseitigen. Im Grundsatz seien diese beiden Kernanliegen des Regierungsentwurfs...