Eine bedeutsame Entscheidung für alle Kollegen, die (auch) im Erbrecht tätig sind, hat kürzlich der BGH gefällt. Danach löst der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments für Eheleute nicht unbedingt auch den Anfall einer Geschäftsgebühr aus (BGH, Urt. v. 15.4.2021 – IX ZR 143/20, ZAP EN-Nr. 342/2021 [in dieser Ausgabe]).
Mit der Entscheidung wies der IX. Senat letztinstanzlich die Revision eines Rechtsanwalts zurück, der sich gegen die Rückzahlung von Gebühren wehrte. Er hatte ein Ehepaar zu einem gemeinschaftlichen Testament beraten, in dem sich die beiden Eheleute gegenseitig zu Erben einsetzten und den entsprechenden Entwurf gefertigt. Nach Abschluss des Mandats stellte er ihnen insgesamt 3.704,47 EUR in Rechnung (1,0 Geschäftsgebühr gem. § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von bis zu 450.000 EUR nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer). Zwar zahlten die Mandanten den Betrag zunächst, forderten dann aber einen Betrag von 3.293,92 EUR zurück. Ihre Rückforderung begründeten sie damit, dass nur eine Beratungsgebühr (§ 34 Abs. 1 RVG) i.H.v. 250 EUR plus eine Mehrgebühr von 75 EUR plus Auslagenpauschale und Umsatzsteuer angefallen sei.
Mit dieser Argumentation waren sie sowohl vor dem Berufungsgericht als auch vor dem BGH erfolgreich. Der IX. Zivilsenat, der u.a. für Rechtsstreitigkeiten von Rechtsanwälten sowie gegen Rechtsanwälte zuständig ist, war ebenso wie das Berufungsgericht der Auffassung, dass (allein) die Beratung zweier Ehegatten bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments und ein entsprechender Entwurf keine Geschäftsgebühr auslösen. Im Jahr 2018 hatte der Senat die Frage noch offengelassen (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – IX ZR 115/17). Jetzt schloss er sich aber der Meinung in der Literatur an, wonach eine Geschäftsgebühr nur bei einer Ausrichtung der Tätigkeit nach außen entstehen kann. Das war vorliegend nicht der Fall. Die vom klagenden Anwalt erbrachte Leistung ordneten die Richter als Beratung und nicht als „Betreiben eines Geschäfts” ein. Auch an der Gestaltung eines Vertrags, die nach der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG ebenfalls eine Geschäftsgebühr auslöst, habe der Anwalt nicht mitgewirkt, so die Richter.
Ein gemeinschaftliches Testament, so argumentiert der Senat, werde nach § 1937 BGB durch einseitige Erklärung errichtet, und zwar auch dann, wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthalte. Die Mitwirkung an seiner Errichtung stelle für sich genommen nur eine Beratungstätigkeit dar, und eben kein Betreiben eines nach außen gerichteten Geschäfts. Der Anwalt vertrete weder die Interessen des einen gegenüber dem anderen Teil noch die Eheleute gegenüber Dritten.
Ein gemeinschaftliches Testament sei zudem, auch wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthalte, kein Vertrag mit Annahme und Angebot i.S.d. §§ 145 ff. BGB, sondern die Testierenden gäben jeweils einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärungen ab, so dass der Gebührentatbestand der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG nicht einschlägig sei. Auch eine erweiternde Auslegung der Nr. 2300 VV RVG lehnt der Senat ab, weil es sich ohnehin um eine Ausnahmekonstellation handele.
Die Richter wiesen den im Erbrecht tätigen Rechtsanwälten aber einen Weg, ihre Arbeit angemessen vergütet zu bekommen: Sie könnten eine angemessene Gebührenvereinbarung nach § 34 RVG abschließen. Nach der Konzeption des Gesetzes sei der Abschluss einer Gebührenvereinbarung gem. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG die Regel, die Abrechnung der Vergütung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (§§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG, 612 BGB) und die Abrechnung der für Verbraucher geltenden Gebühren gem. § 34 Abs. 1 S. 3 RVG die Ausnahme, heißt es in dem Beschluss. In ersten Kommentaren zu der Entscheidung wurde denn auch ausdrücklich zu einer Gebührenvereinbarung geraten: Anwälte, die bei einer Testamentserstellung mitwirken, sollten unbedingt vorher eine angemessene Gebührenvereinbarung treffen, wenn sie „am Ende nicht mit 250 EUR” dastehen wollten. Das gleiche, so der weitere Rat, gelte auch für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten.
[Red.]