a) Weisungsrecht
Nach § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber u.a. den Ort der Arbeitsleistung nach billigen Ermessen selbst bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch den Arbeitsvertrag, die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Bei Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen (§ 106 S. 3 GewO). Nach der Rechtsprechung umfasst das Weisungsrecht gem. § 106 GewO das Recht des Arbeitgebers, eine einmal erteilte Weisung mit Wirkung für die Zukunft auch wieder zurückzunehmen oder zu ändern (vgl. BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452). Selbst die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will (vgl. BAG, Urt. v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265). Der Arbeitgeber ist daher nach § 106 GewO grds. berechtigt, eine Homeoffice-Tätigkeit – wenn keine vertragliche Zusicherung einer Tätigkeit im Homeoffice vorliegt – durch Weisung zu beenden (vgl. Bayreuther a.a.O., 1593, 1594; Müller a.a.O., 1624; Isenhardt a.a.O., 1499 f). Ob die Weisung des Arbeitgebers, künftig die Arbeitsleistung wieder in den Büroräumen zu erbringen, rechtmäßig ist, bestimmt sich neben der Festlegung durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag und Gesetz danach, ob die Anordnung billigem Ermessen i.S.d. § 106 GewO entspricht (zur Abgrenzung zu § 315 BGB vgl. BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, a.a.O.) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Es sind die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie die sozialen Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen, einzubeziehen und abzuwägen (vgl. BAG, Urt. v. 28.8.2013 – 10 AZR 569/12, NZA-RR 2014, 181). Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, kommt dieser besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt andererseits nicht dazu, dass die Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Anweisung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehende Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (vgl. BAG, Urt. v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, NZA 2017, 1394). Bei Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt dem Inhaber des Bestimmungsrechts ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigen mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 1 S. 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen, sondern darauf an, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, a.a.O.; BAG, Urt. v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, a.a.O.; LAG München, Urt. v. 26.8.2021 – 3 SaGa 13/21, a.a.O.).
Eine Vereinbarung in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermöglicht und nicht erkennen lässt, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, ist wegen Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild des § 106 S. 1 GewO gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.9.2014 – 12 Sa 505/14, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 44; zur einseitigen Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung bei Zurverfügungstellung eines Teils des Wohnraums durch den Mitarbeiter vgl. Be...