1. Derzeitige Rechtslage
De lege lata haben deutsche Arbeitnehmer aktuell weder einen Rechtsanspruch auf Telearbeit noch auf Homeoffice noch auf mobiles Arbeiten, es sei denn, entsprechende Ansprüche ergeben sich aufgrund individueller arbeitsvertraglicher Zusage oder aus kollektivrechtlichen Regelungen (Betriebs-/Personalvereinbarung oder Tarifvertrag vgl. Schlamp SPA 2022, 1; Müller a.a.O., 45, 46; Picker ZFA 2019, 269). Auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bei einer Änderungskündigung wegen Betriebsverlagerung eine Tätigkeit im Homeoffice oder Mobile Office anbieten zu müssen, besteht grds. nicht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.3.2021 – 4 Sa 1243/20, BB 2021, 2231; ArbG Köln, Urt. v. 20.5.2021 – 8 Ca 7667/20, juris, m.w.N.).
Einen Sonderfall regelt § 16 Abs. 2 BGleiG. Danach haben die Dienststellen der Bundesverwaltung und der Gerichte des Bundes i.R.d. dienstlichen Möglichkeiten den Beschäftigten mit Familien- oder Pflegeaufgaben auch Telearbeitsplätze, mobile Arbeit oder familien- oder pflegefreundliche Arbeitszeit- und Präsenzzeitmodelle anzubieten (zu Telearbeit und Homeoffice im öffentlichen Dienst Hahn öAT 2018, 202; zu § 164 Abs. 4 S. 1 SGB IX im (Einzel-)Fall schwerbehinderter Menschen und einem Anspruch auf Homeoffice Müller DB 2019, 1624, 1625).
2. Ausgelaufene Sondersituation in der Corona-Pandemie
Die Homeoffice-Pflicht des § 28b Abs. 4 IfSG ist am 20.3.2022 vollständig entfallen (Müller NJOZ 2021, 1537). Arbeitgeber sollen Homeoffice nach der derzeit bis zum 25.5.2022 verlängerten Corona-ArbSchV als Basisschutzmaßnahme zum betrieblichen Infektionsschutz (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 IfSchG) aber weiter im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten in Erwägung ziehen, wenn etwa in Großraumbüros die Gefahr einer raschen Infektionsausbreitung besteht. Insgesamt ist anzuraten, im Hinblick auf die derzeit bundesweit (noch) sehr hohen Infektionszahlen auch weiterhin durch großzügige Homeoffice-Regelungen die Ansteckungsgefahr im ÖPNV und am Arbeitsplatz zu minimieren (vgl. Schwede ArbRAktuell 2022, 148).
3. Reformpläne des Gesetzgebers
Nach den Plänen der Ampel-Koalition soll das Homeoffice (vgl. Koalitionsvertrag "Mehr Fortschritt wagen", S. 54) künftig als eine Möglichkeit des mobilen Arbeitens aus dem Geltungsbereich der ArbStättV ausgenommen werden und keine Telearbeit mehr darstellen (Picker a.a.O., 4, 15 ff.). Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sind nach Auffassung der Regierungsparteien bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen. Diese Ziele erforderten Information und Beratung der Beschäftigten sowie deren angemessene Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten sollen einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice gegenüber ihrem Arbeitgeber erhalten. Dabei solle der Arbeitgeber dem Wunsch der Arbeitnehmer auf Homeoffice oder Mobile Arbeit nur widersprechen können, wenn betriebliche Belange entgegenstünden (vgl. Fuhlrott/Ritz ArbRAktuell 2021, 649, 651). Letztlich wird damit künftig eine Rechtslage angestrebt, deren Anleihen bei der Teilzeit nach dem TzBfG nicht zu übersehen sind.
4. Vorrangiges Arbeitgeberinteresse: Flexibilität ohne Kontrollverlust
Der Befund des Praktikers ist, dass die Flexibilität des "mobilen" Arbeitens bei Bedarf gern vom Arbeitgeber genutzt, eine verbindliche Anspruchssituation für den Arbeitnehmer auf gesetzlicher Grundlage aber oftmals kritisch gesehen wird. Letztlich hängt dies mit der Einschränkung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts nach § 106 GewO, der Furcht vor Kontrollverlust und der administrativen Belastung zusammen, die aus einem gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice wohl unweigerlich folgen werden (zur Personalführung in Zeiten des Homeoffice Steinmaßl SPA 2020, 149 sowie zur Leistungskontrolle am digitalen Arbeitsplatz Polkowski SPA 2022, 29; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.9.2020 – 9 Sa 584/20, ZD 2021, 170). Mit unbestimmten Schutz- und Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. Isenhardt DB 2016, 1499) und § 315 BGB (Schwarz NZA-RR 2021, 633) ist aus Sicht des Arbeitgebers ungleich einfacher umzugehen als mit einem verbindlichen Anspruch des Arbeitnehmers (vgl. Schwierig/Zurel ZD 2016, 17). Beiderseitige Freiwilligkeit auf der Grundlage einer einvernehmlichen Vereinbarung (vgl. Schlamp, a.a.O., 1) als Grundlage der "mobilen Arbeit" (Telearbeit, Homeoffice, Mobile Arbeit) schafft Raum für spezifische, individuelle Lösungen, die unbestreitbare Vorteile zu einer starren gesetzlichen Regelung aufweisen. Andererseits muss dem Arbeitgeber bewusst sein, dass er nicht allein auf der Grundlage seines gesetzlichen Weisungsrechts – mit Ausnahme von Not- und dringlichen Fällen (vgl. Krieger/Rudnik/Povedano Peramato NZA 2020, 473, 475 f.) – berechtigt ist, dem Arbeitnehmer einen Telearbeitsplatz zuzuweisen. Lehnt der Arbeitnehmer die Ausführung der Telearbeit ab, liegt deshalb keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.11.2018 – 17 Sa 562/18, juris).