Mit Blick auf die (noch) fehlenden gesetzlichen Regelungen machen die Tarif- und Betriebspartner (zur Einführung des Homeoffice durch Betriebsvereinbarung Krieger/Rudnik/Povedano Peramato a.a.O., 476 ff.) oftmals von ihrer Normsetzungsbefugnis Gebrauch und regeln das rechtliche Umfeld von Telearbeit, Homeoffice und Mobiler Arbeit (hierzu mit Beispielen Müller a.a.O., 1624, 1625 f.). Beispiele für einschlägige Tarifverträge finden sich beim ZDF (Tarifvertrag zur modernen Arbeit im ZDF) oder im Konzern Deutsche Telekom (Tarifvertrag zur Telearbeit zwischen agv:comunity und ver.di>, vgl. Schöllmann a.a.O., 81). Von unbestreitbarem Vorteil ist, dass die Tarif- und Betriebspartner die Anforderungen und Arbeitsstrukturen in der jeweiligen Region und Branche gut kennen. Sie können deshalb mit Sachverstand passgenaue, angemessene Lösungen unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und Belange aller Beteiligten finden.
Dabei gehen Tarifverträge zum mobilen Arbeiten bislang ganz überwiegend vom Prinzip "doppelter Freiwilligkeit" aus. Sie überlassen das Ob mobiler Arbeit der unternehmerischen Entscheidung des einzelnen Arbeitgebers und der freiwilligen Annahme durch den davon betroffenen Arbeitnehmer (Arg. ex Art. 13 Abs. 1 GG) und legen nur die Rahmenbedingungen und Durchführungsmodalitäten und damit das Wie der mobilen Arbeit fest. Gleiches gilt für die meisten Betriebsvereinbarungen. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber nach dem neu eingeführten § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bei "Einführung" (und Beendigung) mobiler Arbeit mitbestimmungsfrei, bei deren "Ausgestaltung" aber mitbestimmungspflichtig ist (Picker a.a.O., 4, 11 f.; Schöllmann a.a.O., 81).
Durch einen Tarifvertrag kann wie durch eine Betriebsvereinbarung die Einhaltung der zahlreichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gewährleistet und die rechtliche Ausgestaltung mobiler Arbeitsformen vereinheitlicht werden (vgl. zu Mitbestimmungsrechten Bertram/Walk/Falder a.a.O., S. 43 ff.). Aus organisatorischen und rechtlichen Gründen ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung deshalb naheliegend und empfehlenswert (vgl. Schwierig/Zurel a.a.O., 17, 21). In diesem Zusammenhang ist neben dem durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz eingeführten § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, das auf der Grundlage der Rechtsprechung des BAG weitreichende Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu geeignet oder bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, zu beachten (BAG, Beschl. v. 23.3.2021 – 1 ABR 31/19, NZA 2021, 959; BAG, Beschl. v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, 657). Insbesondere durch § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG wird die betriebliche Mitbestimmung in einem zentralen Punkt gestärkt, was der Erosion betrieblicher Strukturen und Einheiten, die mit Digitalisierung und Transformation der Wirtschaft sowie Formen mobiler Arbeit unweigerlich einhergehen, entgegenwirkt (zum digitalen Zugangsrecht der Gewerkschaften im Zusammenhang mit mobiler Arbeit Picker a.a.O., 4, 6; Göpfert/Stöckert NZA 2021, 1209; Stück ArbRAktuell 2021, 516).
Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG kann seine Wirkung sinnvoll bei mobiler Arbeit im Ausland entfalten. Zu neuen Arbeitsformen während der Pandemie gehört die Mischung aus Urlaub, Reisen und Arbeit (sog. workation und bleisure travel) auch aus dem Ausland (vgl. Steinau/Steinrück NJW-Spezial 2021, 626). Aufgrund des Territorialitätsprinzips gilt deutsches Recht grds. nur im Inland und im Ausland das lokale Recht: Deutsches Recht wirkt nicht grenzüberschreitend, wenn nicht Ausnahmen in bilateralen zwischenstaatlichen Abkommen, z. B. Doppelbesteuerungs- (Schrade/Denninger NZA 2021, 102; Hördt ArbRAktuell 2020, 485, 487 f.) und Sozialversicherungsabkommen (Hidalgo/Cellen, NZA 2021, 19), geregelt sind. In der Praxis erfordert dies – selbst zwischen EU-Staaten – intensive, komplexe Einzelfallprüfungen und Prozesse, die je nach beteiligten Ländern, Nationalitäten, Dauer und Anlass variieren. Es empfiehlt sich deshalb stets, mobile Auslandsarbeit in einer Betriebsvereinbarung, die nach dem neuen Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ab dem 18.6.2021 erforderlich ist, unter ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu stellen (vgl. Schlamp a.a.O., 1, 2; Stück ArbRAktuell 2021, 534).
Praxistipp:
Arbeitgeber sollten in der Homeoffice-Vereinbarung und/oder in einer allgemeinen schriftlichen Arbeitsanweisung eine eigenmächtige Auslandstätigkeit im "Homeoffice" ohne besondere Vereinbarung im Einzelfall konsequent untersagen, um arbeitsrechtliche Konsequenzen im Falle der Zuwiderhandlung ziehen zu können und Risiken gegenüber ausländischen Behörden zu minimieren. Immer sollte unverzüglich eingeschritten werden, wenn ein Anhaltspunkt für eine ungewollte, untersagte Auslandstätigkeit vorliegt. Die weit verbreitete, aber fehlerhafte Annahme, es könne dem Arbeitgeber gleich sein, von wo aus der Arbeitnehmer tätig werde, kann risikoreich...