Macht der Antragsteller den Erlass einer Beschlussverfügung ohne ausreichende vorherige Anhörung geltend, so ist Beschwerdegegenstand der vom Gericht des Ausgangsverfahrens erlassene Beschluss. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich sodann auf Feststellung, dass der im Ausgangsverfahren ergangene Beschluss den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018 – 1 BvR 1783/17). Wenn die Verfassungsbeschwerde die gerügten Rechtsverletzungen nicht mehr beseitigen kann (was den absoluten Regelfall darstellt), kann die Verfassungsmäßigkeit des im Ausgangsverfahren ergangenen Beschlusses in einer feststellenden Entscheidung erfolgen.
Trotz des noch andauernden Ausgangsverfahrens geht das BVerfG von einer Rechtswegserschöpfung (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) aus, sofern sich der Beschwerdeführer gegen ein bewusstes und systematisches Übergehen seiner Rechte durch die Handhabung des Prozessrechts im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung wendet (BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018 – 1 BvR 1783/17, Rn 10). Würde man dem Antragsteller die Verfassungsbeschwerde versagen, so bliebe die Grundrechtsverletzung durch die Ausgangsgerichte folgenlos, sofern im Ausgangsverfahren spätere Verteidigungsmöglichkeiten bestehen, mit denen die Verletzung des Rechts auf Waffengleichheit – zumindest theoretisch – wieder ausgeglichen werden kann. Insbesondere kann die Verletzung des Grundrechts auf Waffengleichheit nicht mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 924 Abs. 3 i.V.m. § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO) geltend gemacht werden, da für die Entscheidung über die Vollstreckungseinstellung die Erfolgsaussichten in der Sache maßgeblich sind.
Weiter bedarf es nach § 93a Abs. 2 BVerfGG eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses. Dieses Feststellungsinteresse ist nicht allein wegen der Geltendmachung eines Verfahrensfehlers gegeben (vgl. BVerfGE 138, 64, 87).
Anzunehmen ist ein Feststellungsinteresse jedoch, wenn eine Wiederholung zu befürchten ist; dies ist dann der Fall, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen würde (BVerfG, Beschl. v. 11.1.2022 – 1 BvR 123/21, Rn 31). Um dies zu belegen, muss der Antragsteller zur Praxis des jeweiligen Gerichts und zu etwaigen anderen Verletzungen des Grundrechts auf Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren vortragen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.2019 – 1 BvR 1078/19, Rn 3) und hierbei belegen, dass das Ausgangsgericht die aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit folgenden Anforderungen grds. verkennt und seine Praxis hieran unter Missachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht ausrichtet (BVerfG, Beschl. v. 11.1.2022 – 1 BvR 123/21, Rn 31). Sind nach den hier dargelegten Maßstäben Wiederholungen zu befürchten, dann besteht das Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens, d.h. nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung, fort (BVerfG, Beschl. v. 2.2.2021 – 1 BvR 2743/19).
Besteht ein Unterlassungstitel, so kann die Darlegung eines besonderen Feststellungsinteresses ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn das mit der einstweiligen Verfügung offensichtlich prozessrechtswidrig ausgesprochene Verbot noch fortwirkt, ein hiergegen zügig eingeleitetes Widerspruchsverfahren noch andauert und schwere, grundrechtlich erhebliche Nachteile für den Beschwerdeführer i.S.v. § 32 Abs. 1, § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG geltend gemacht werden, die ein Einschreiten des BVerfG noch während des Widerspruchsverfahrens gebieten (BVerfG, Beschl. v. 23.7.2021 – 1 BvR 1653/21, Rn 4).
Hinweis:
Sinn und Zweck der Entscheidung gebieten es, von einem Andauern des "Widerspruchsverfahrens" auch dann auszugehen, wenn die Sache bereits in der zweiten Instanz anhängig ist. Nach Auffassung der Verfasser greift auch dies zu kurz: Wird die Verfügung in zweiter Instanz bestätigt, so besteht zwar kein Rechtsmittel mehr. Es liegt aber trotzdem kein rechtskräftiger Titel vor, da die Verfügung weiterhin wegen veränderter Umstände (§ 927 ZPO) und – vor allem – im Hauptsacheverfahren korrigiert werden kann. Deshalb erscheint es sinnvoll, ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, bis das mit der Verfügung aufgegebene Verbot in einem rechtskräftigen Hauptsacheurteil oder mit einer Abschlusserklärung bestätigt wurde (hierzu vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.12.2020 – 1 BvR 2740/20, Rn 16).
Bei der Prüfung, ob ein fortbestehender Unterlassungstitel das Feststellungsinteresse rechtfertigt, differenziert das BVerfG nach dem jeweiligen Inhalt des Verbots. In diesem Zusammenhang leuchtet es prima facie nicht ein, wenn das BVerfG ausführt, bei Wettbewerbsstreitigkeiten sei der Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO regelmäßig ausreichend, um den Antragsgegner abzusichern (BVerfG, Beschl. v. 23.7.2021 – 1 BvR 1653/21, Rn 4). Dies überzeugt schon des...