I. Vorbemerkung
Märkte und wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändern sich stetig – unter Umständen auch sehr kurzfristig. Häufig erfordern diese Veränderungen eine Anpassung des Geschäftsmodells oder der teilweisen bzw. gesamten Organisation von Unternehmen und Betrieben. Arbeitgeber werden in diesen Situationen ggf. die unternehmerische Entscheidung treffen, das vorhandene Arbeitsplatzvolumen an den sinkenden Arbeitskräftebedarf anzupassen. Derartige arbeitsrechtliche Restrukturierungen sowie damit in Verbindung stehende Entlassungen gehen häufig mit einer sog. Betriebsänderung nach §§ 111 ff. BetrVG einher. Besteht in einem Betrieb ein Betriebsrat, ist im Fall einer solchen Betriebsänderung ein Interessenausgleich zu versuchen und ein Sozialplan abzuschließen. Der Sozialplan soll wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmer ausgleichen oder mildern. Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über den Gegenstand, die Rechtsnatur sowie insb. den Inhalt des Sozialplans geben.
II. Gegenstand des Sozialplans
Der sog. Interessenausgleich regelt das Ob, Wann und Wie einer Betriebsänderung. Hingegen ist es gem. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Aufgabe des Sozialplans, etwaig hieraus resultierende wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmer auszugleichen bzw. zumindest abzumildern. In der Praxis orientiert sich der Inhalt eines Sozialplans im Wesentlichen an den Maßnahmen, die im Rahmen einer Betriebsänderung im Interessenausgleich vereinbart wurden. Der Sozialplan dient dabei der Überbrückung der Zeit bis zum Entfall der Nachteile (bei Entlassung z.B. bis zur Erzielung eines anderweitigen Einkommens durch eine neue Beschäftigung oder aufgrund Renteneintritts).
Hinweis:
Dem Sozialplan kommt folglich keine vergangenheitsbezogene Entschädigungs-, sondern eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu. Es geht um die Überbrückung materieller Einbußen. Festgelegte Geldleistungen in Form einer Abfindung sind daher kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, sondern dienen der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlusts infolge der Betriebsänderung.
Die im Rahmen eines Sozialplans ausgleichsfähigen wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer beschränken sich dabei grds. lediglich auf materielle Nachteile, nicht auf immaterielle Einbußen.
III. Rechtsnatur des Sozialplans
Nach § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG hat der Sozialplan die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. Er wirkt daher gem. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend. Die Arbeitnehmer erwerben unmittelbare und einklagbare Ansprüche gegen den Arbeitgeber.
Diese normative Wirkung des Sozialplans hat zudem zur Folge, dass Arbeitnehmer auf Ansprüche aus einem Sozialplan nach § 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrats (aufgrund eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses) verzichten können (BAG, Urt. v. 15.10.2013 – 1 AZR 405/12, NZA 2014, 217; BAG, Urt. v. 14.12.1999 – 1 AZR 81/99, juris). Daher erstreckt sich die in einem Prozessvergleich vereinbarte Abgeltung sämtlicher Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis nicht auf eine etwaige Sozialplanabfindung (BAG, Urt. v. 25.4.2017 – 1 AZR 714/15, NZA 2017, 1467).
Praxistipp:
Das Verzichtsverbot gilt allerdings dann nicht, wenn es sich um einen sog. Tatsachenvergleich handelt (BAG, Urt. v. 25.4.2017 – 1 AZR 714/15, NZA 2017, 1467). Ein solcher Vergleich über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Sozialplanabfindung ist mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Verzichtsverbot vereinbar, wenn die Parteien allein über die Erfüllung der tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen gestritten haben (BAG, Urt. v. 19.7.2016 – 3 AZR 134/15, NZA 2016, 1475). Handelt es sich hingegen um eine vergleichsweise Verständigung über Rechtsfragen, z.B. wie bestimmte Regelungen in einem Sozialplan auszulegen sind, ist die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten der Parteien zwangsläufig mit einem Verzicht auf einen Rechtsanspruch verbunden. Betrifft ein solcher Rechtsverzicht einen Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung, bedarf dies wegen § 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats.
Ebenso ist gem. § 77 Abs. 4 S. 3 BetrVG eine Verwirkung der Ansprüche ausgeschlossen.
Hinweis:
Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Sozialplänen sind nur insoweit zulässig, als sie in dem Sozialplan selbst oder in einem Tarifvertrag vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen (vgl. § 77 Abs. 4 S. 4 BetrVG).
Im Verhältnis zu einem Tarifvertrag gilt nicht der sog. Tarifvorbehalt, sondern ausschließlich das sog. Günstigkeitsprinzip. Bereits bestehende tarifliche Regelungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile bei Arbeitsplatzverlust haben daher keine Sperrwirkung für einen Sozialplan.
IV. Form des Sozialplans und Zuständigkeit
Nach § 77 Abs. 2 BetrVG muss der Sozialplan schriftlich abgeschlossen werden. Das bedeutet, dass Unternehmen und Betriebsrat handschriftlich auf derselben Urkunde unterschreiben müssen. Seit der Einführung des § 77 Abs. 2 S. 3 BetrVG ist der Abschluss auch in elektronischer Form möglich, wobei dasselbe Dok...