Der EuGH hatte darüber zu entscheiden, ob Amazon-Gesellschaften, z.B. Amazon EU SARL, für Markenrechtsverletzungen haften, die Drittanbieter (Verkäufer) auf dem Amazon Marketplace begehen (EuGH, Urt. v. 22.12.2022 – C-148/21 und C-184/21).
Das Verfahren zum Az. C-148/21 wurde dem EuGH von einem luxemburgischen Gericht vorgelegt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein französischer Designer (Christian Louboutin) hatte auf der Basis des Unionsmarkenrechts (Art. 9 Abs. 2 lit. a Unionsmarkenverordnung – UMV) geltend gemacht, dass Amazon ohne seine Zustimmung ein mit der für ihn geschützten Marke identisches Zeichen für Waren benutzt habe, die mit denjenigen Waren identisch seien, für die seine Marke eingetragen sei. Dies sei insb. durch das Einblenden von Anzeigen für mit einem identischen Zeichen versehenen Waren auf den Online-Verkaufsplattformen von Amazon geschehen. Die markenrechtlich relevante Benutzung sei aber auch durch den Besitz, den Versand und die Lieferung solcher Waren seitens Amazon erfolgt. Eine aktive Benutzung sei Amazon zuzurechnen, da Amazon bei der Benutzung des fraglichen Zeichens eine aktive Rolle gespielt habe und die Anzeigen für die markenrechtsverletzenden Waren Teile der eigenen kommerziellen Kommunikation von Amazon gewesen seien. Amazon könne sich nicht als bloßer Hosting-Anbieter von Websites oder als neutraler Vermittler ansehen, da Amazon Drittanbietern (also auf dem Amazon Marketplace tätigen Händlern) insb. bei der Optimierung der Präsentation von deren Angeboten Unterstützung gewähre.
Amazon hatte dagegen vorgetragen, dass die Einbindung ihres Logos in die Anzeigen von Drittanbietern nicht bedeute, dass Amazon sich die Anzeigen dieser Drittanbieter zu eigen mache. Der Umstand, dass ein Dienstleister wie Amazon die notwendigen technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines mit der geschützten Marke identischen Zeichens durch Dritte schaffe und für diese Dienstleistung eine Vergütung erhalte, bedeute nicht, dass der Dienstleister das betreffende Zeichen selbst benutze.
Das Bezirksgericht Luxemburg, dass dem EuGH das Verfahren in der Sache C-148/21 vorgelegt hatte, hatte sodann ausgeführt, dass die Funktionsweise der von Amazon betriebenen Verkaufsplattform darin bestehe, für ein und dieselbe Warenkategorie Anzeigen zu bündeln, die sowohl von Amazon selbst als auch von Drittanbietern stammten, die auf dem Online Marktplatz tätig seien. Insoweit unterscheide sich die Funktionsweise von derjenigen anderer Plattform-Anbieter wie z.B. eBay, die ausschließlich einen Onlinemarktplatz betrieben und daher nur Anzeigen von Drittanbietern veröffentlichten, ohne jedoch selbst Waren zu verkaufen. Aufgrund dessen müsse auf Basis der bislang ergangenen EuGH-Rechtsprechung ermittelt werden, ob diese Funktionsweise der Verkaufsplattform von Amazon (nämlich der Bündelung von 1. Amazon-Anzeigen und 2. Anzeigen von Drittanbietern) darauf schließen lasse, dass der Betreiber der Amazon-Plattformen ein mit der fraglichen Marke identisches Zeichen benutze, weil er Anzeigen von Drittanbietern, in den ein solches Zeichen verwendet werde, in seine eigene kommerzielle Kommunikation einbinde. Ferner sei fraglich, inwieweit es von der Wahrnehmung des Publikums abhänge, ob ein Betreiber von Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz (wie Amazon) bei der Veröffentlichung von Anzeigen eine mehr oder weniger aktive Rolle spiele. Es stelle sich zudem die Frage, ob davon auszugehen sei, dass ein solcher Betreiber ein mit einer geschützten Marke identisches Zeichen benutze, wenn er den Versand von Waren übernehme, die mit diesem Zeichen versehen seien. Diese Fragestellung sei in der bisherigen EuGH-Rechtsprechung (z.B. Urt. v. 2.4.2020 – C-567/18) nicht entschieden worden.
Der EuGH hat in seinen Urteilen v. 22.12.2022 – C-148/21 und C-184/21 – seine bisherige Rechtsprechung zu vergleichbaren Sachverhalten einer ausführlichen Analyse unterzogen. Hiernach hat er festgestellt, aus dieser Rechtsprechung ergebe sich, dass zur Klärung der Frage, ob der Betreiber einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz ein mit einer fremdem Marke identisches Zeichen, das in Anzeigen von Drittanbietern auf diesem Marktplatz verwendet werde, selbst benutze, zunächst zu beurteilen sei, ob ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem betreffenden Zeichen herstelle. Es sei daher zu prüfen, ob aufgrund der Gestaltung des Webauftritts ein solcher Nutzer glauben könne, dass der Betreiber der Verkaufsplattform derjenige ist, der die Ware, für die das fragliche Zeichen benutzt werde, im eigenem Namen und für eigene Rechnung vertreibe. Im Rahmen dieser Beurteilung kommen insb. der Art und Weise, in der die Anzeigen sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit auf der fraglichen Plattform präsentiert würden, sowie der Art und der Umfang der von ihrem Betreiber erbrachten Dienstleistung besondere Bedeutung zu.
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