Die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO gibt der Gewerbebehörde die Möglichkeit, die Fortsetzung eines erlaubnisfreien Gewerbes zu unterbinden.
Hinweis:
§ 35 GewO findet allerdings auch dann Anwendung, wenn ein erlaubnispflichtiges Gewerbe von Anfang an ohne Erlaubnis betrieben wurde. In diesem Fall scheidet mangels einer erteilten Erlaubnis eine Aufhebung mittels Rücknahme/Widerruf verbunden mit einer Schließungsanordnung aus.
Gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
Tatbestandlich setzt die Gewerbeuntersagung den tatsächlichen Betrieb eines erlaubnisfreien, stehenden Gewerbes und die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden voraus.
Maßgeblicher Zeitpunkt für den Betrieb des Gewerbes ist die Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens. Dies hat zur Folge, dass die Einstellung des Betriebs bspw. im Anschluss an eine Anhörung den Erlass einer (erweiterten) Gewerbeuntersagung nicht hindert (vgl. § 35 Abs. 1 S. 3 GewO).
Obwohl die Gewerbeuntersagung aufgrund ihrer Wirkung ein Dauerverwaltungsakt ist, kommt es für die Prüfung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf die Unzuverlässigkeit auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Dies ergibt sich aus § 35 Abs. 6 GewO, in dem der Gesetzgeber ein eigenständiges Wiedergestattungsverfahren kodifiziert hat. Dieses antragsbasierte Wiedergestattungsverfahren hat nur dann einen materiellen Gehalt, wenn Tatsachen, die zwar eine positive Prognose erlauben, aber erst nach Bescheiderlass eingetreten sind, nicht bereits im gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung zu berücksichtigen sind. Sähe man dies anders, liefen zum einen das Antragserfordernis und zum anderen der Zweck der Behördenentlastung, die der Gesetzgeber mit § 35 Abs. 6 GewO verbunden hatte, leer.
Hinweis:
Nach erfolgter Untersagung soll die Initiative zur Wiedergestattung vom Gewerbetreibenden ausgehen. Die Behörde sollte nicht – wie dies bei einem Dauerverwaltungsakt ansonsten üblich ist – gehalten sein, zu prüfen, ob die Untersagungsgründe noch fortbestehen (BVerwG, Urt. v. 2.2.1982 – 1 C 146.80, juris Rn 14 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung).
Zusätzlich muss die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigen erforderlich sein. Gerade bei fehlender Leistungsfähigkeit und Steuerschulden verschafft sich der unzuverlässige Gewerbetreibende gegenüber anderen Gewerbetreibenden, die ihren Berufspflichten ordnungsgemäß nachkommen, einen unlauteren Wettbewerbsvorteil. Beschäftigte sind darauf angewiesen, dass ihr Arbeitgeber die sozialversicherungspflichtigen Abgaben ordnungsgemäß abführt, damit entsprechende sozialrechtliche Ansprüche (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung) entstehen.
Hinweis:
Die „Erforderlichkeit” ist in § 35 Abs. 1 S. 1 GewO als Tatbestandsmerkmal ausgestaltet. Insoweit hat die Behörde weder einen Beurteilungsspielraum und erst Recht kein Ermessen. Ob mildere Mittel (Auflagen, Teiluntersagungen) zur Gewerbeuntersagung als ultima ratio denkbar sind, ist damit auch auf Tatbestandsseite – ggf. durch das Verwaltungsgericht – zu prüfen.
Die Gewerbeuntersagung richtet sich gegen den Gewerbetreibenden.
Beispiel:
Sonderfall – Strohmannverhältnis: Von einem Strohmannverhältnis spricht man, wenn zwei Personen sich gemeinsam dahingehend verständigen, dass der Vordermann mit seinem Namen nach Außen als Gewerbetreibender auftritt, obwohl der unzuverlässige Hintermann im Hintergrund die tatsächliche Handlungs- und Entscheidungsgewalt im Gewerbebetrieb innehat. Diese Konstruktion dient der Verschleierung einer gewerberechtlichen Tätigkeit des unzuverlässigen Hintermanns. In dieser Konstellation wird dem Gewerbetrieb die Unzuverlässigkeit des Hintermanns zugerechnet, sodass insoweit eine Gewerbeuntersagung möglich ist. Zugleich ergibt sich aus der Tatsache, dass der Vordermann an diesem Strohmannverhältnis mitgewirkt hat, dessen eigene gewerberechtliche Unzuverlässigkeit. In der Praxis ergehen daher häufig Gewerbeuntersagungen gegen beide Beteiligte.
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO vor, hat die Behörde die einfache Gewerbeuntersagung auszusprechen (gebundene Entscheidung). Der Einwand, die Gewerbeuntersagung sei ermessensfehlerhaft und nicht verhältnismäßig, da mildere ...