Der Begriff „Gewerbe” ist, obwohl das Gewerberecht seit über 150 Jahre kodifiziert ist, bis heute nicht legal definiert. In Literatur und Rechtsprechung hat sich allerdings ein weitestgehend einheitlicher Gewerbebegriff entwickelt, der aus vier positiven und drei negativen Merkmalen besteht. Danach ist ein Gewerbe eine selbstständige, nicht generell verbotene, auf Gewinnerzielungsabsicht gerichtete und auf Dauer angelegte Tätigkeit, die nicht zur Urproduktion, zu den Freien Berufen oder zur bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zu rechnen ist (BVerwG, Beschl. v. 11.3.2008 – 6 B 2.08, juris Rn 5).
Hauptmerkmale einer selbstständigen Tätigkeit sind die persönliche Unabhängigkeit des Gewerbetreibenden, der das Unternehmerrisiko trägt. Das Merkmal der Selbstständigkeit grenzt die Gewerbetätigkeit von abhängiger, weisungsunterworfener Tätigkeit ab. Insoweit sind Fälle der „Scheinselbstständigkeit” ebenso von der Gewerbetätigkeit abzugrenzen wie „Franchisegeberkonzepte”.
Unerlaubte Tätigkeiten liegen vor, wenn diese gegen Straf- oder Verbotsgesetze verstoßen, wobei nicht einzelne Aktivitäten verboten sein müssen, sondern die gewerberechtliche Tätigkeit als solche.
Hinweis:
Weniger eindeutig ist die Frage, welche Tätigkeit als sozial unwertig zu bewerten ist und in der Folge dessen außerhalb des Gewerbebegriffs liegt. § 2 Abs. 3 Prostitutionsschutzgesetz definiert das Prostitutionsgewerbe legal; gleichzeitig nimmt § 6 Abs. 1 GewO die Tätigkeit als Prostituierte aus dem Anwendungsbereich der GewO heraus; weitere diskussionswürdige Beispiele: Swinger-Club, Peep-Show, Wahrsagerei.
Gewinnerzielungsabsicht setzt voraus, dass der Gewerbetreibende einen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erwartet, der zu einem Überschuss über die Kosten der Tätigkeit führt (Eisenmenger in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 1 Rn 22). Es kommt dabei nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinn erzielt wird; die Absicht, die ggf. nicht von Erfolg gekrönt ist, reicht aus. Die Gewinnerzielungsabsicht grenzt die Gewerbetätigkeit von gemeinnützigen Aktivitäten (Verfolgung religiöser, kultureller, wissenschaftlicher oder sonstiger ideeller Zwecke) ab, wobei im Einzelfall auch hier untergeordnete Erwerbszwecke noch ausreichend sein können, um eine Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen.
Hinweis:
Tätigkeiten der öffentlichen Hand werden jedenfalls dann eine Gewinnerzielungsabsicht abgesprochen, wenn diese vorrangig der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Andere Stimmen in der Literatur wollen Betätigungen der öffentlichen Hand generell aus dem Anwendungsbereich der GewO ausnehmen (vgl. zum Streitstand: Pielow in: BeckOK, GewO, 58. Ed. 1.1.2022, GewO § 1 Rn 155 ff.)
Auf Dauer angelegt ist eine Tätigkeit, sobald sie eine Fortsetzungsabsicht aufweist. Damit wird die Gewerbetätigkeit von einmaligen Handlungen abgegrenzt.
Hinweis:
Saisonale Betätigungen, die jeweils für den konkreten Zeitraum eine Wiederholungsabsicht aufweisen (z.B.: Eisdiele) erfüllen dabei ebenfalls das Kriterium der Dauerhaftigkeit.
Keine Gewerbetätigkeit liegt im Fall der Urproduktion vor, worunter in Anlehnung an Art. 38 Abs. 1 S. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Erzeugnisse des Bodens, der Viehzucht und der Fischerei sowie die mit diesen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe gehören.
Hinweis:
Dabei zeigt gerade das Beispiel des landwirtschaftlichen Hofladens, dass die Grenze zwischen „noch Urproduktion” und „schon selbstständigem Gewerbebetrieb” nicht immer ganz trennscharf ist (Eisenmenger in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 1 Rn 32 f.).
Durch das Abgrenzungsmerkmal „Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens” werden solche Betätigungen ausgenommen, die nicht oder nur geringfügig die Schutzzwecke der GewO berühren. „Bloße” Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens und damit die Unanwendbarkeit der GewO kann mit Blick darauf nur angenommen werden, wenn die Auswirkungen der Betätigung Dritte nicht oder doch nur in geringer, eine „Bagatellschwelle” nicht überschreitender Weise berühren (OVG NRW, Beschl. v. 30.6.2016 – 4 A 2649/13, juris). Daher sind die reine Vermietung und Verpachtung von Grundstücken keine Gewerbetätigkeit. Anderes kann bei Ferienwohnungen gelten, da hier die Besonderheit des häufigen Wechsels von Mietern einen gesteigerten Tätigkeitsaufwand beschreibt, der über die reine Verwaltung hinausgeht, und insoweit dem Schutzzweck der GewO entspricht (BVerwG, Urt. v. 26.1.1993 – 1 C 25.91, juris).
Hinweis:
Die Tätigkeit einer Komplementär-GmbH besteht nicht in der Verwaltung eigenen, sondern fremden Vermögens (OVG NRW, Beschl. v. 30.6.2016 – 4 A 2649/13, juris Rn 12).
Schließlich fallen Freie Berufe aus dem Anwendungsbereich heraus. Der Begriff des Freien Berufs ist dabei weder in der GewO noch in anderen Gesetzen allgemeingültig definiert. § 6 Abs. 1 S. 1 GewO enthält eine (nicht abschließende) Aufzählung einzelner Freier Berufe, die dem Geltungsbereich der GewO nicht unterstellt sind.