Das Gewerberecht war in seiner gesamten Breite ursprünglich in der GewO kodifiziert. Mitte des letzten Jahrhunderts ging der (Bundes-)Gesetzgeber jedoch dazu über, zahlreiche Anwendungsbereiche in eigenständige Gesetze auszugliedern: Handwerksrecht, Gaststättenrecht, Immissionsschutzrecht, Bank- und Versicherungsrecht, Prostitutionsgewerbe etc. (vgl. zum historischen Hintergrund der Gewerbeordnung: Eisenmenger in: Landmann/Rohmer, GewO, 88. EL, März 2022, Einleitung Rn 55 ff.).
Gemeinsam lassen sich diese gewerberechtlichen Regelungen dem Gefahrenabwehrrecht zuordnen. Das Gewerberecht dient dabei dem Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz sowie dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb, indem es sicherstellt, dass unzuverlässige Gewerbetreibende als sog. schwarze Schafe schon keinen Zugang zum Markt erhalten oder von diesem wieder verschwinden.
1. Grundprinzip
Mit § 1 Abs. 1 GewO hat der Gesetzgeber das Grundprinzip des Gewerberechts unmittelbar an den Beginn der Kodifikation gestellt: die Gewerbefreiheit als Ausdruck wirtschaftlicher Liberalität. Danach ist jedermann gestattet, ein Gewerbe zu betreiben, soweit nicht durch die GewO Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. Durch diese Formulierung wird bereits die grundsätzliche systematische Entscheidung des Gesetzgebers deutlich, wonach es eine Differenzierung zwischen dem Regelfall des erlaubnisfreien und der Ausnahme des erlaubnispflichtigen Gewerbes gibt.
Der Gesetzgeber hat den Gewerbeaufsichtsbehörden (vgl. § 155 Abs. 2 GewO mit der jeweiligen landesrechtlichen Regelung) daran anknüpfend verschiedene, von der Art des Gewerbes abhängige Instrumente an die Hand gegeben, mit denen die Zwecke der Gefahrenabwehr erreicht werden können: Anzeigepflicht, Gewerbeuntersagung, präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, Schließungsanordnung nach Aufhebung einer Erlaubnis.
2. Zentrale Begriffsbestimmungen
a) Das Gewerbe
Der Begriff „Gewerbe” ist, obwohl das Gewerberecht seit über 150 Jahre kodifiziert ist, bis heute nicht legal definiert. In Literatur und Rechtsprechung hat sich allerdings ein weitestgehend einheitlicher Gewerbebegriff entwickelt, der aus vier positiven und drei negativen Merkmalen besteht. Danach ist ein Gewerbe eine selbstständige, nicht generell verbotene, auf Gewinnerzielungsabsicht gerichtete und auf Dauer angelegte Tätigkeit, die nicht zur Urproduktion, zu den Freien Berufen oder zur bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zu rechnen ist (BVerwG, Beschl. v. 11.3.2008 – 6 B 2.08, juris Rn 5).
Hauptmerkmale einer selbstständigen Tätigkeit sind die persönliche Unabhängigkeit des Gewerbetreibenden, der das Unternehmerrisiko trägt. Das Merkmal der Selbstständigkeit grenzt die Gewerbetätigkeit von abhängiger, weisungsunterworfener Tätigkeit ab. Insoweit sind Fälle der „Scheinselbstständigkeit” ebenso von der Gewerbetätigkeit abzugrenzen wie „Franchisegeberkonzepte”.
Unerlaubte Tätigkeiten liegen vor, wenn diese gegen Straf- oder Verbotsgesetze verstoßen, wobei nicht einzelne Aktivitäten verboten sein müssen, sondern die gewerberechtliche Tätigkeit als solche.
Hinweis:
Weniger eindeutig ist die Frage, welche Tätigkeit als sozial unwertig zu bewerten ist und in der Folge dessen außerhalb des Gewerbebegriffs liegt. § 2 Abs. 3 Prostitutionsschutzgesetz definiert das Prostitutionsgewerbe legal; gleichzeitig nimmt § 6 Abs. 1 GewO die Tätigkeit als Prostituierte aus dem Anwendungsbereich der GewO heraus; weitere diskussionswürdige Beispiele: Swinger-Club, Peep-Show, Wahrsagerei.
Gewinnerzielungsabsicht setzt voraus, dass der Gewerbetreibende einen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erwartet, der zu einem Überschuss über die Kosten der Tätigkeit führt (Eisenmenger in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 1 Rn 22). Es kommt dabei nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinn erzielt wird; die Absicht, die ggf. nicht von Erfolg gekrönt ist, reicht aus. Die Gewinnerzielungsabsicht grenzt die Gewerbetätigkeit von gemeinnützigen Aktivitäten (Verfolgung religiöser, kultureller, wissenschaftlicher oder sonstiger ideeller Zwecke) ab, wobei im Einzelfall auch hier untergeordnete Erwerbszwecke noch ausreichend sein können, um eine Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen.
Hinweis:
Tätigkeiten der öffentlichen Hand werden jedenfalls dann eine Gewinnerzielungsabsicht abgesprochen, wenn diese vorrangig der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Andere Stimmen in der Literatur wollen Betätigungen der öffentlichen Hand generell aus dem Anwendungsbereich der GewO ausnehmen (vgl. zum Streitstand: Pielow in: BeckOK, GewO, 58. Ed. 1.1.2022, GewO § 1 Rn 155 ff.)
Auf Dauer angelegt ist eine Tätigkeit, sobald sie eine Fortsetzungsabsicht aufweist. Damit wird die Gewerbetätigkeit von einmaligen Handlungen abgegrenzt.
Hinweis:
Saisonale Betätigungen, die jeweils für den konkreten Zeitraum eine Wiederholungsabsicht aufweisen (z.B.: Eisdiele) erfüllen dabei ebenfalls das Kriterium der Dauerhaftigkeit.
Keine Gewerbetätigkeit liegt im Fall der Urproduktion vor, worunter in Anlehnung an Art. 38 Abs. 1 S. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Eu...