Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem vergangenen Jahr hat in der Anwaltschaft für Unsicherheit gesorgt, wie mit den Mandanten wirksam ein Stundenhonorar vereinbart werden kann. Im Januar 2023 hatte das EU-Gericht entschieden, dass eine Vertragsklausel in einer zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vereinbarung über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung nach dem Zeitaufwand richtet, in den Anwendungsbereich der EU-RL 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen fällt (EuGH, Urt. v. 12.1.2023 – C-395/21).
Infolgedessen, so die Richter, genügt eine nicht näher aufgeschlüsselte Klausel, die eine Anwaltsvergütung vom Zeitaufwand des Anwalts abhängig macht, nicht dem Erfordernis, dass eine Vereinbarung klar verständlich abgefasst sein und den Mandanten in die Lage versetzen muss, die Höhe seiner Kosten bei Vertragsabschluss abzuschätzen. Allein die Mitteilung der Höhe des Stundensatzes sei nicht ausreichend, um die vom EU-Recht geforderte Kostentransparenz herzustellen.
In der Praxis herrscht deshalb derzeit Unsicherheit, wie die Transparenzanforderungen wirksam erfüllt werden können. Das hat, wie die BRAK mitteilte, offenbar einige Rechtsschutzversicherungen ermutigt, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidung wegen unwirksamer Honorarvereinbarungen in Regress zu nehmen. Um hier etwas mehr Rechtssicherheit zu schaffen, haben sich kürzlich die Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern auf ihrer 84. Tagung im April in Stuttgart mit der Thematik befasst und einige Hinweise formuliert. Diese lauten in zusammengefasster Form wie folgt:
- Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen laut EuGH in die Lage versetzt werden, die sich aus der Stundenlohnvereinbarung ergebenden wirtschaftlichen Folgen anhand genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen. Dies kann durch eine Schätzung der mindestens erforderlichen Stunden erreicht werden.
- Alternativ kann auch vereinbart werden, in angemessenen Zeitabständen abzurechnen.
- Transparenz könnte aber auch auf andere Weise geschaffen werden, etwa indem die gesetzliche Vergütung nach dem RVG als Mindestaufwand vereinbart wird.
- Eine Honorarklausel ist laut EuGH nicht allein deshalb nichtig, weil sie dem Transparenzgebot nicht genügt. Entscheidend ist die Gesamtwürdigung aller Umstände des Vertragsschlusses, wobei auch die Kenntnisse und Fähigkeiten des Vertragspartners zu berücksichtigen sind (etwa, wenn ein Rechtsschutzversicherer an der Aushandlung der Gebührenvereinbarung beteiligt ist).
- Bei einer unwirksamen Zeithonorarvereinbarung kann das Gericht die rechtliche Lage wiederherstellen, in der sich die Verbraucherin bzw. der Verbraucher ohne die Vereinbarung befunden hätte. Allerdings kann es nicht selbst die Höhe des Honorars festlegen, sondern hat das gesetzliche Gebührenrecht anzuwenden.
[Quelle: BRAK]