1. Zeitnot
Während im Strafbefehlsverfahren nach Einspruchseinlegung regelmäßig ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um die Hauptverhandlung sorgfältig vorzubereiten, kann die Verteidigung im beschleunigten Verfahren in Zeitnot geraten. Denn die Hauptverhandlung wird nach § 418 Abs. 1 StPO entweder sofort oder in kurzer Frist durchgeführt; diese beläuft sich nach h.M. auf ein bis zwei Wochen (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2021, Rn 881 m.w.N.). Zudem beträgt die Ladungsfrist gerade einmal 24 Stunden (§ 418 Abs. 2 S. 3 StPO). Es liegt deshalb auf der Hand, dass oftmals kaum Zeit bleibt, entlastende Umstände zu ermitteln und dann in der Hauptverhandlung vorzubringen. Gerade im beschleunigten Verfahren kann der Angeklagte jedoch in besonderem Maße auf eine sorgfältige Vorbereitung der Verteidigung angewiesen sein, nachdem die Staatsanwaltschaft bei der Antragstellung von einem einfachen Sachverhalt und/oder einer klaren Beweislage ausgegangen ist (§ 417 StPO) und das Gericht zum Ausdruck gebracht hat, dass es diese Einschätzung teilt; denn andernfalls hätte es die Sache als zur Verhandlung im beschleunigten Verfahren ungeeignet eingestuft und einen Ablehnungsbeschluss nach § 419 Abs. 2 StPO erlassen. Diese Vorstellungen ins Wanken zu bringen, ist oft nicht leicht.
2. Hauptverhandlungshaft
Darüber hinaus ist zu beachten, dass dem Mandanten bei Durchführung des beschleunigten Verfahrens auch bei einer überschaubaren Straferwartung die Inhaftierung drohen kann, schafft § 127b StPO doch die Möglichkeit zur Anordnung der sog. Hauptverhandlungshaft. Diese stellt, wie jede Inhaftierung, trotz ihrer Befristung auf eine Woche (§ 127b Abs. 2 StPO) einen erheblichen Grundrechtseingriff dar und erschwert überdies den Kontakt des Verteidigers zu seinem Mandanten über die bereits durch die kurze Vorbereitungszeit bis zur Hauptverhandlung bestehenden Probleme hinaus nochmals erheblich.
Voraussetzung für die Anordnung der Hauptverhandlungshaft ist neben dringendem Tatverdacht die auf bestimmte Tatsachen gestützte Befürchtung, der Mandant werde der Hauptverhandlung fernbleiben sowie die Wahrscheinlichkeit einer unverzüglichen Entscheidung im beschleunigten Verfahren (zu den Anordnungsvoraussetzungen im Einzelnen Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2021, Rn 2071 ff.).
„Unverzüglich” ist hier dahingehend zu verstehen, dass die Hauptverhandlung binnen einer Woche stattfinden muss (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 127b Rn 9). Bei der Prüfung, ob tatsächlich bis dahin verhandelt werden kann, steht dem Amtsrichter ein Beurteilungsspielraum zu; erst bei dessen deutlicher Überschreitung ist die Nichtanordnung der Hauptverhandlungshaft rechtswidrig (LG Oldenburg, Beschl. v. 7.10.2021 – 3 Qs 375-377/21).
Hinweis:
Stellt sich heraus, dass die Hauptverhandlung nicht binnen Wochenfrist durchgeführt werden kann, muss der Angeklagte freigelassen werden. Dies gilt auch, wenn die Frist infolge einer Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung überschritten wird (Burhoff, a.a.O.). In diesem Fall wird der Haftbefehl gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.).