Kommt es im Verlauf des Verfahrens zu einer nicht mehr heilbaren Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, kann die Rücknahme der Bestellung angezeigt sein (ausführlich hierzu Hellwig/Zebisch NStZ 2010, 602). Die Anforderungen hierfür sind jedoch hoch.
Der bloße Wunsch des Angeklagten, künftig von einem anderen Rechtsanwalt vertreten zu werden, genügt nicht (KK-Laufhütte, § 143 StPO Rn. 5) und nach der Rechtsprechung muss dem Angeklagten auch die Möglichkeit verwehrt bleiben, einen grundlosen und nicht gebotenen Verteidigerwechsel zu erzwingen, da er es andernfalls in der Hand hätte, jederzeit unter Berufung auf ein fehlendes Vertrauensverhältnis einen Verteidigerwechsel herbeizuführen, um damit möglicherweise auch das Verfahren zu verzögern (BGH NJW 1993, 3276; OLG Hamm NJW 2006, 2562). Zudem ist im Entpflichtungsverfahren der Maßstab für die zur Begründung des Entpflichtungsantrags vorgetragenen Gründe enger als bei der Auswahl des Pflichtverteidigers, wenn der Beschuldigte zur Auswahl seines Pflichtverteidigers gem. § 142 Abs. 1 StPO angehört worden ist. Dann kann nämlich davon ausgegangen werden, dass ihm der Anwalt seines Vertrauens beigeordnet worden ist (OLG Hamm, Beschl. v. 26.1.2006 – 2 Ws 30/06).
Es genügt deshalb der unsubstantiierte, nicht mit einer nachvollziehbaren Begründung versehene Hinweis des Angeklagten, er habe kein Vertrauen (mehr) zu dem vom Gericht bestellten Verteidiger, nicht und auch die nicht mit bestimmten Tatsachen belegte Behauptung des Verteidigers, das Vertrauensverhältnis sei zerstört, ist unzureichend (BGH NStZ 1988, 420).
Es müssen vielmehr Umstände substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht werden, die bei objektiver Betrachtung eine Erschütterung des Vertrauens des Angeklagten zu dem bestellten Pflichtverteidiger besorgen lasen (BGH NStZ 2004, 632; BGH NStZ-RR 2005, 240).
Ob das Vertrauen erschüttert ist, ist aus Sicht eines vernünftigen und verständigen Angeklagten zu beurteilen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 143 Rn. 5).
Sehen sich der Angeklagte oder sein Wahlverteidiger durch den Pflichtverteidiger gehindert, den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu stören, etwa durch das Nichterscheinen des Wahlverteidigers zu Hauptverhandlungsterminen, erfolgt deshalb keine Rücknahme der Bestellung (KK-Laufhütte, § 142 StPO Rn. 9). Versuche des Angeklagten, eine Entpflichtung durch verbale Angriffe auf den Pflichtverteidiger, den Ausspruch von Drohungen oder durch falsche Verdächtigungen zu erreichen, bleiben ebenfalls ohne Erfolg (BGH NJW 1993, 3275; BGH NStZ 1998, 267).
Hinweis:
Der Angeklagte kann einen Verteidigerwechsel auch nicht dadurch erzwingen, dass er seinem bisherigen Wahlverteidiger das Mandat entzieht. In derartigen Fällen kann das Gericht den Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger bestellen (BGH NJW 1993, 3275). Eine solche Vorgehensweise kommt insbesondere in Betracht, wenn der Versuch unternommen wird, den Fortgang des Verfahrens dadurch zu verhindern, dass der Angeklagte sich durch Mandatserziehung "verteidigungslos" stellt.
Meinungsverschiedenheiten zwischen Verteidiger und Angeklagtem über die Verteidigungsstrategie reichen für sich alleine nicht aus, um eine Entpflichtung zu rechtfertigen, es sei denn die Beteiligen sehen sich zu einer Einigung über das Verteidigungskonzept außer Stande (BGH NStZ 1988, 420; OLG Hamm NJW 2006, 2502).
Rät der Verteidiger aufgrund seiner Einschätzung der Sachlage zu einem Geständnis und will der Angeklagte diesem Rat nicht folgen, belegt dies allein kein gestörtes Vertrauensverhältnis. Drängt sich eine Strafmaßverteidigung nach Aktenlage oder ggf. nach den bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung auf, ist der Verteidiger nicht gehindert, dem Angeklagten auch mit Nachdruck zu einem Geständnis zu raten. Anders liegt der Fall aber, wenn weitere Faktoren hinzukommen, die eine ordnungsgemäße Fortführung der Verteidigung ausgeschlossen erscheinen lassen, etwa wenn der Verteidiger ohne Rücksprache mit dem Angeklagten eine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken will (OLG Hamm a.a.O.). An eine Entpflichtung wird ferner dann zu denken sein, wenn der Pflichtverteidiger zu einem Geständnis rät, ohne sich zuvor in ausreichendem Maße mit dem Akteninhalt befasst zu haben oder wenn er sich weigert, Verteidigungsansätzen nachzugehen, die zumindest nicht völlig fernliegend erscheinen.
Zu einem nicht mehr behebbaren Vertrauensverlust führen kann auch die Untätigkeit des Pflichtverteidigers führen. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Verteidigung seines Mandanten sachgerecht und mit dem nötigen Engagement zu führen. Vernachlässigt er seine sich aus der Verteidigerstellung ergebenden Pflichten, ist der Zweck der Pflichtverteidigung, dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern, ernsthaft gefährdet. Nimmt der vom Gericht bestellte Verteidiger über zwei Monate keinen Kontakt zu seinem inhaftierten/untergebrachten Mandanten auf, ist es nachvollziehbar, wenn dieser sich nicht hinreichend ve...