1. Bestellung durch Verfügung des Vorsitzenden
Die Bestellung erfolgt durch Verfügung des Vorsitzenden des Gerichts, das für das Hauptverfahren zuständig oder bei dem das Verfahren anhängig ist, § 141 Abs. 4 StPO. Beim Vollzug der Untersuchungshaft (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO) richtet sich die Zuständigkeit nach § 126 Abs. 1 StPO.
In der Regel ergeht die Verfügung schriftlich, sie kann aber auch telefonisch erfolgen (SSW-StPO/Beulke, § 141 Rn. 36). Auch eine konkludente Bestellung ist möglich, etwa durch Zustellung der Terminsnachricht oder durch Übersendung der Anklageschrift (OLG Oldenburg StV 2004, 587; BGH StraFo 2006, 455).
Der Vorsitzende ist auch für die Ablehnung des Beiordnungsantrags zuständig, er entscheidet dann durch einen zu begründenden und bekanntzumachenden Beschluss (Meyer-Goßner/Schmitt, § 141 Rn. 6).
Hinweis:
Unterbleibt eine Entscheidung des Vorsitzenden über einen Beiordnungsantrag, kann sie nicht nachgeholt werden, eine "rückwirkende" Verteidigerbestellung ist nach h.M. unzulässig (BGH StraFo 2006, 455; BGH NStZ-RR 2009, 348; OLG Stuttgart ZAP EN-Nr. 325/2015; a.A. LG Potsdam StRR 2014, 146). Lässt das Gericht aber die Mitwirkung des Verteidigers ohne Hinweis auf ein eigenes Kostenrisiko zu, ist eine schlüssige Beiordnung zum Zeitpunkt der Antragstellung anzunehmen (OLG Stuttgart a.a.O.). Eine solche konkludente Beiordnung kann auch nachträglich festgestellt werden, so dass das Fehlen einer ausdrücklichen Beiordnung die Abrechnung der entstandenen Pflichtverteidigergebühren nicht hindert.
2. Benennungsrecht des Angeklagten/Ablehnung aus wichtigem Grund
Dem Vorsitzenden obliegt nicht nur die Bestellung, sondern auch die Auswahl des Verteidigers (KK-Laufhütte, § 142 StPO Rn. 1). Auf die Bestellung eines bestimmten Verteidigers hat der Angeklagte keinen Rechtsanspruch (BVerfG StV 2006, 451).
Der Grundsatz des fairen Verfahrens fordert aber, seine Wünsche soweit möglich zu berücksichtigen (so schon BVerfGE 9, 36). Dies ist in § 142 Abs. 1 StPO berücksichtigt, wonach dem Angeklagten Gelegenheit gegeben werden soll, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Die Soll-Vorschrift des § 142 Abs. 1 StPO beinhaltet abweichend von ihrem Wortlaut als Ausfluss des Anspruchs auf ein faires Verfahren eine grundsätzliche Anhörungspflicht, von der nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden kann (OLG Stuttgart StV 2014, 11).
Die Länge der Frist ist gesetzlich nicht geregelt, sie muss jedoch angemessen sein. Fristen von nur drei oder vier Tagen oder gar von wenigen Stunden sind zu kurz (SSW-StPO/Beulke, § 142 Rn. 15) und legen zudem den Verdacht nahe, dass das Benennungsrecht des Angeklagten unterlaufen werden soll.
Hinweis:
Die vom Gericht gesetzte Benennungsfrist ist keine Ausschlussfrist. Der Angeklagte hat daher jedenfalls dann, wenn durch eine zwischenzeitlich erfolgte Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts noch keine Kosten entstanden sind und keine Verfahrensverzögerung eintritt, auch nach Fristablauf das Recht, einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen, der dann bei gleichzeitiger Entpflichtung des bisherigen Verteidigers beizuordnen ist (OLG Köln StV 2015, 20). Wird ein nicht vom Angeklagten benannter Verteidiger nur deshalb beigeordnet, weil das Gericht versehentlich davon ausgeht, die Frist sei bereits abgelaufen, ist die Beiordnung aufzuheben und der vom Angeklagten fristgerecht benannte Verteidiger zu bestellen (OLG Celle NJW 2012, 246).
Macht der Angeklagten von seinem Benennungsrecht Gebrauch, ist gem. § 142 Abs. 1 S. 2 StPO der bezeichnete Verteidiger zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht. Das Merkmal "wichtiger Grund" ist daher eng auszulegen. Eine Ablehnung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, dem Recht des Angeklagten auf einen Anwalt seines Vertrauens gebührt grundsätzlich der Vorrang (Burhoff, Handbuch EV, Rn. 2095).
a) Keine örtliche Einschränkung
Die früher geltende Einschränkung, wonach ein Pflichtverteidiger möglichst aus dem Kreis der im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwälte ausgewählt werden sollte, ist mit dem 2. Opferrechtsreformgesetz entfallen (hierzu Burhoff ZAP F. 22, S. 483). Seitdem ist die Gerichtsnähe des Verteidigers keine wesentliche Voraussetzung für eine Beiordnung mehr (Meyer-Goßner/Schmitt, § 142 StPO, Rn. 5). Außerdem ist es nicht mehr erforderlich, dass zwischen Angeklagtem und Verteidiger ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht oder dass der auswärtige Verteidiger über Spezialkenntnisse verfügt, die gerade seine Beiordnung erforderlich machen (KK-Laufhütte, § 142 StPO, Rn. 5).
Hinweis:
Das vom Gesetzgeber ausdrücklich aufgegebene Kriterium der Ortsnähe darf auch nicht "durch die Hintertür" wieder eingeführt werden, etwa indem eine Beiordnung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" o.ä. erfolgt. Derartige Beschränkungen sind unzulässig (KK-Laufhütte a.a.O.).
Gänzlich irrelevant ist der Kanzleisitz des Verteidigers aber nach wie vor nicht. So kann eine große Entfernung zum Gerichtsort im Einzelfall nach wie vor einen wichtigen Grund i.S.d. § 142 Abs. 1 S. 2 StPO darstellen, allerdings nur, wenn gerade hierdurch eine sachdi...