Die im Zusammenhang mit Pflichtverteidigungsfragen ergehenden Entscheidungen sind mit der Beschwerde anfechtbar. Dies gilt nach zutreffender h.M. auch für Entscheidungen des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, § 305 S. 1 StPO steht nicht entgegen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 141 Rn. 10a; KK-Laufhütte, § 141 StPO Rn. 13).
1. Beiordnung eines Verteidigers
Die Beiordnung eines Verteidigers ist mangels Beschwer für den Angeklagten grundsätzlich nicht anfechtbar. Eine Ausnahme hiervon gilt aber, wenn die Beiordnung ohne vorherige Anhörung des Angeklagten erfolgt (KG NStZ-RR 2012, 351; OLG Stuttgart StV 2014, 11).
Hinweis:
Die StA kann dagegen stets die gesetzeswidrige Beiordnung eines Verteidigers rügen.
Abweichend vom Grundsatz der Nichtanfechtbarkeit steht dem Angeklagten die Beschwerde zur Verfügung, wenn neben seinem Wahlverteidiger ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird und der Angeklagte der Auffassung ist, dies sei unzulässig oder nicht gerechtfertigt (KK-Laufhütte, § 141 StPO Rn. 13 m.w.N.).
Auch die Bestellung eines "Zwangsverteidigers" gegen den Willen des Angeklagten soll mit der Beschwerde angreifbar sein (SSW-StPO/Beulke, § 141 Rn. 41). Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass die Verteidigerbestellung die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sichert, wenig überzeugend. Die Verteidigerbestellung dient dem Interesse des Angeklagten und der Sicherung seiner Rechtsstellung im Verfahren, eine Beschwer ist hiermit nicht verbunden. Richtigerweise wird daher allenfalls die Auswahl des Verteidigers angreifbar sein, nicht aber die Beiordnung an sich (OLG Jena NStZ-RR 2012, 317).
2. Ablehnung der Beiordnung
Gegen die Ablehnung der Verteidigerbestellung ist die Beschwerde statthaft. Das Beschwerderecht steht nur dem Angeklagten, nicht aber dem nicht beigeordneten Rechtsanwalt zu. Dieser hat keinen Anspruch, beigeordnet zu werden (Burhoff, Handbuch EV, Rn. 2110).
Hinweis:
Die Beschwerde ist auch dann zulässig, wenn es das Gericht unterlässt, über einen Beiordnungsantrag zu entscheiden, obwohl die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung vorliegen. Die Nichtbescheidung steht einer Ablehnung des Antrags gleich (LG Köln StV 2001, 344; LG Magdeburg NStZ-RR 2009, 87).
Anfechtbar sind auch Entscheidungen, mit denen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers neben dem Wahlverteidiger oder die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers abgelehnt wird (OLG Hamm NStZ 2011, 235; OLG Jena, Beschl. v. 7.10.2011 – 1 Ws 433/11; a.A. hinsichtlich der Ablehnung eines zweiten Pflichtverteidigers OLG Celle NStZ 1998, 637).
3. Auswahl des Verteidigers
Gegen die Auswahl des Pflichtverteidigers kann ebenfalls Beschwerde eingelegt werden. Erfolgt eine Bestellung ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten oder vor Ablauf einer ihm gesetzten Frist, ist die Bestellung aufzuheben und der nunmehr benannte Verteidiger beizuordnen (KG NStZ-RR 2012, 351; OLG Stuttgart a.a.O.). Eines gestörten Vertrauensverhältnisses zu dem ohne Anhörung bestellten Rechtsanwalt bedarf es in diesem Falle nicht (Burhoff, Handbuch EV, Rn. 2234).
Hinweis:
Dem "neuen" Verteidiger, der seine Beiordnung anstrebt, kann im Falle der unterbliebenen Anhörung auch nicht entgegengehalten werden, es läge ein "Herausdrängen" des bisherigen Pflichtverteidigers vor.
Anders liegt der Fall nur, wenn die Beiordnung zunächst unwidersprochen bleibt und Angeklagter und Verteidiger anschließend über einen längeren Zeitraum hinweg vertrauensvoll zusammenarbeiten (OLG Köln NJW 2006, 389; OLG München NJW 2010, 1766). Die bloße Duldung der Anwesenheit des nicht gewünschten Verteidigers an Terminen genügt für die Annahme einer vertrauensvollen Zusammenarbeit jedoch nicht, insbesondere wenn der Angeklagte währenddessen bereits Kontakt zu einem anderen Verteidiger aufgenommen hat (OLG Dresden NStZ-RR 2012, 213).
Hinweis:
Auch hier steht lediglich dem Angeklagten das Beschwerderecht zu, nicht aber dem nicht beigeordneten Rechtsanwalt (Burhoff, Handbuch EV, Rn. 2285).
4. Rücknahme der Bestellung und deren Ablehnung
Ebenfalls mit der Beschwerde anfechtbar sind die Rücknahme der Verteidigerbestellung gem. § 143 StPO sowie deren Ablehnung (einschränkend KK-Laufhütte, § 143 StPO Rn. 6: keine Beschwer des Angeklagten, wenn bei der Beauftragung eines Wahlverteidigers die Rücknahme der Bestellung abgelehnt wird). Das Beschwerderecht steht auch hier allein dem Angeklagten zu, der Verteidiger kann sein eigenes Interesse an der Fortführung der Verteidigung nicht mit der Beschwerde durchsetzen (KK-Laufhütte, § 143 StPO Rn. 6; a.A. SSW-StPO/Beulke, § 143 Rn. 29).
Autor: RiLG Thomas Hillenbrand, Stuttgart
ZAP 13/2015, S. 725 – 744