§ 169 S. 2 GVG erklärt Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung für unzulässig. Dies will Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Maas nun ändern.
Ende April hat er den Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprach- und Hörbehinderte" vorgelegt. Nach Aussage des Ministeriums wird das Verbot von Radio- und TV-Übertragungen aus den Gerichtssälen heute vielfach kritisch hinterfragt. Die Entwicklung der Rechtsprechung und die Veränderung der Verbreitung von Nachrichten in den Medien hätten die Diskussion verstärkt, ob das strikte gesetzliche Verbot von Bild- und Tonübertragungen angesichts der technischen und gesellschaftlichen Veränderungen insgesamt noch zeitgemäß sei. "Livestreams" öffentlicher Veranstaltungen seien weit verbreitet und ergänzten oder ersetzten zunehmend herkömmliche Formen der Berichterstattung. Angestoßen wurde das Vorhaben bereits im vergangenen Jahr auf der 86. Justizministerkonferenz, auf der das BMJV gebeten worden war, einen Gesetzentwurf zu einer "zeitgemäßen Neufassung des § 169 GVG" vorzulegen.
Der BMJV-Entwurf sieht nun folgende Änderungen im GVG vor:
- Die Zulassung der Tonübertragung der mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung in einen Nebenraum für Medienvertreter (§ 169 Abs. 1 S. 3 bis 5 GVG-E);
- die Zulassung einer audio-visuellen Dokumentation eines Gerichtsverfahrens von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung (Archivaufzeichnungen gem. § 169 Abs. 2 GVG-E);
- die Eröffnung der Möglichkeit für die obersten Gerichtshöfe des Bundes, die Verkündung ihrer Entscheidungen künftig von Medien übertragen zu lassen (§ 169 Abs. 3 GVG-E).
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat das Vorhaben in ihrer Stellungnahme zum Entwurf bereits grundsätzlich kritisiert. Ein Bedarf für eine Öffnung des bisherigen § 169 GVG für Video- oder Audioübertragungen aus dem Sitzungssaal, der den damit einhergehenden technischen Aufwand, die prozessualen Unwägbarkeiten und die erheblichen Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten rechtfertigen könne, sei nicht erkennbar. Unübersehbar wären die Gefahren für die Wahrheitsfindung, die sich daraus ergeben könnten, dass den Richtern, den Schöffen und den sonstigen Verfahrensbeteiligten in der Verhandlung jederzeit vor Augen stünde, dass sie nicht nur "im Saal", sondern auch für ein ihnen unbekanntes und unsichtbares weiteres Auditorium "vor der Kamera" agierten.
[Quellen: BMJV/BRAK]