aa) Problemstellung
Sowohl bei Verbraucher- als auch Geschäftskrediten gehören Bürgschaften, die gesondert vertraglich vereinbart werden und nicht explizit in den AGB enthalten sind, zu den Sicherheiten, die bei der Berechnung der Deckungsgrenze einbezogen werden müssen. Es stellt sich folgendes Problem: Sind Einkommen und Vermögen des Bürgen frei von Rechten Dritter? Nimmt die Bank keine oder eine nicht belastbare Selbstauskunft des Bürgen herein, kann der Anwalt des Kunden mit "Mitverschulden" argumentieren – das Kreditinstitut hat dann die Werthaltigkeit der Bürgschaft nicht geprüft. Ist der Bürge finanziell überhaupt in der Lage, im Ernstfall "einzuspringen"?
In der Praxis lesen auch Geschäftskunden die umfangreichen Dokumente vor Unterzeichnung nicht sorgfältig. Das gilt erst recht für Bürgen, die zum Banktermin erscheinen. Häufig wird seitens des Kreditinstituts die Aufklärungspflicht verletzt, auch im Hinblick auf die Unterschiede zwischen der selbstschuldnerischen und der Ausfallbürgschaft. Bürgschaften führen zur Bonitätsprüfung des Bürgen und engen seine eigene Kreditierungsfähigkeit ein.
bb) Materiell-rechtliche Grundlagen
Die Verharmlosung der Haftungsrisiken in den AGB oder Sonderbedingungen führt zur Angreifbarkeit gem. § 307 Abs. 1 BGB. Das gilt insbesondere für die unzureichende Darstellung des Unterschieds zwischen Ausfall- und selbstschuldnerischer Bürgschaft.
Bei AGB- und Vertragsklauseln in Bezug auf selbstschuldnerische und Ausfallbürgschaften ist daran zu denken, dass die Inanspruchnahme des Bürgen die erfolglose Inanspruchnahme des Hauptschuldners voraussetzt (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2013 – XI ZR 417/11).
Hinweis:
Deshalb kann von dem Darlehensgeber verlangt werden, die "Erfolglosigkeit", ggf. durch Titulierung und anschließende fruchtlose Pfändung und Vermögensauskunft, nachzuweisen, bevor die Bank den Bürgen in Anspruch nimmt.
Ein formularmäßiger Verzicht auf die Rechte aus § 776 BGB ist unwirksam, da die Rechte des Bürgen nach § 307 BGB unangemessen benachteiligt werden (BGH, Urt. v. 2.3.2000 – IX ZR 328/98). Zukünftige Forderungen werden von der Bürgschaft insoweit erfasst, als diese nach Grund und Umfang bei Vertragsschluss für den Bürgen erkennbar waren (BGH, Urt. v. 9.7.2001 – II ZR 228/99).
Bei Kreditausweitungen besteht Klärungsbedarf, ob es sich um eine Abänderung der vorherigen Bürgschaft oder eine vollständig neue Bürgschaft handelt. Die Bank ist nämlich verpflichtet, die Leistungsfähigkeit des Bürgen bei Abschluss des neuen Bürgschaftsvertrags zu prüfen. Die Behauptung, der Vertrag sei wegen krasser finanzieller Überforderung bei Abschluss sittenwidrig, ist vom Bürgen zu beweisen. Er muss dann darlegen, dass er zu diesem Zeitpunkt auch nicht in der Lage gewesen wäre, zumindest die Zinslast aus seinem pfändbaren Einkommen zu zahlen (BGH, Urt. v. 1.4.2014 – XI ZR 276/13).
cc) Beratungshinweise
Bürgschaften müssen bei Überlegungen zur Übersicherung einbezogen werden; ggf. sind sie "freizugeben". Dem Bürgen ist zu raten, seine Übernahmeerklärung von dem Recht abhängig zu machen, sich jederzeit über die wirtschaftliche Situation des Schuldners/Kreditnehmers zu informieren, damit er seinen Freistellungsanspruch durchsetzen kann.
Checkliste "Bürgschaft" für das Mandantengespräch:
□ Wann erfolgt die Hereinnahme?
□ Wie hoch ist der Haftungsbetrag einschl. Zinsen?
□ Hinweise auf Zinsverjährung?
□ Vorangegangene Ausübung des Pfandrechts?
□ Vorangegangene Vollstreckungsversuche?
□ Auskunftserteilung an den Bürgen? Rechtsanspruch?
□ Frist zur Ankündigung der Inanspruchnahme (auf erste Anforderung)?
□ Überschuldung, keine Kapitaldienstfähigkeit (KDF) des Bürgen bei Unterzeichnung (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 – XI ZR 113/02).