aa) Problemstellung
Banken tendieren dahin, bei der Kreditgewährung möglichst viele Sicherheiten hereinzunehmen. Ein Kunde, der den Wünschen der Bank nicht nachkommt, wird möglicherweise nicht kreditiert. Streitpunkte sind die Bewertung der Sicherheiten, die Hereinnahme/Verwertung durch die Bank und die Verweigerung berechtigter Freigabeverlangen des Kunden.
bb) Materiell-rechtliche Grundlagen
Eine Anhäufung von Sicherheiten, die in auffälligem Missverhältnis zur Darlehensvaluta steht, ist wegen Übersicherung sittenwidrig und führt zur Nichtigkeit des Vertrags. Bei einer anfänglichen Übersicherung (Vertragsabschluss) beziffert der BGH die Deckungsgrenze mit 110 % der gesicherten Forderung, bezogen auf den realisierbaren Wert der Gegenstände. Das ist der Fall, wenn bereits bei Vertragsschluss gewiss ist, dass im noch ungewissen Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung bestehen wird. Dabei hilft keine Vermutung, dass dem Sicherungsinteresse des Gläubigers durch einen Abschlag von einem Drittel vom Nennwert abgetretener Forderungen oder vom Schätzwert sicherungsübereigneter Waren ausreichend Rechnung getragen wird. Diese Grenze ist nur für das Entstehen eines Freigabeanspruchs wegen nachträglicher Übersicherung maßgeblich (BGH, Urt. v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95).
Ergeben sich während der Geschäftsverbindung Besicherungsfragen, wie Anspruch auf Nachbesicherung (Nr. 13 AGB-Banken/Nr. 22 Abs. 1 AGB-Sparkassen) oder Freigabe von Sicherheiten (Nr. 16 Abs. 2 AGB-Banken/Nr. 21 Abs. 2 AGB-Sparkassen), wird ein Abschlag von einem Drittel des aktuellen Verkehrswerts der Sicherheiten vorgenommen. Ab 150 % des so ermittelten Wertes besteht der Freigabeanspruch des Kunden (BGH a.a.O.).
Problematisch ist in der Praxis die Klausel, dass der Bank die Auswahl der freizugebenden Sicherheiten zusteht (Nr. 16 Abs. 2 AGB-Banken/Nr. 22 Abs. 2 AGB-Sparkassen). Damit besteht die Möglichkeit, unmittelbar in den Geschäftsbetrieb des Kunden einzugreifen. Zwar sind dabei die "berechtigten Interessen" des Kunden zu berücksichtigen, aber in der Praxis kommt es immer wieder zu Auslegungsstreitigkeiten.
Beispiel:
Die Bank ist mit 30 % übersichert. Der Kreditnehmer möchte eine Maschine veräußern, um aus dem Erlös, d.h. ohne weitere Kreditaufnahme, eine Ersatzanschaffung zu tätigen. Die Bank will ihm unter Berufung auf die AGB statt des benötigten Gegenstands eine andere Sache freigeben. Der Mandant kann die Ersatzanschaffung nicht tätigen und einen Auftrag nicht ausführen.
Die o.g. AGB sind bedenklich, da dem Kunden nur die Missbrauchskontrolle durch die Gerichte bleibt. Denn: Bei korrekter Bewertung anlässlich der Hereinnahme von Sicherheiten und der Möglichkeit der Nachbesicherung besteht kein Rangverhältnis zwischen den einzelnen Sicherheiten. Damit bleibt kein Auswahlermessen des Kreditinstituts, sondern dem Kunden sind die Sicherheiten nach seiner Wahl freizugeben, wenn die Bank im Übrigen ausreichend besichert bleibt. Bis zu einer Neufassung der AGB, die Rechtsstreitigkeiten wg. § 315 Abs. 3 BGB begrenzen könnten, hat jedenfalls der Sicherungsnehmer die Beweislast dafür, dass er die Belange des Sicherungsgebers bei der Freigabe angemessen berücksichtigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1985 – III ZR 90/83). Zudem wäre ggf. die altbekannte Frage zur "Mitgeschäftsführung" der Bank und die daraus zu ziehenden Konsequenzen zu thematisieren.
cc) Beratungshinweise
Es ist wichtig, in regelmäßigen Zeitabständen eine Schätzung der Sicherheiten durch den Kreditnehmer/Mandanten vornehmen zu lassen, um dann einen Freigabeanspruch prüfen zu können.
Der Mandant sollte sein Interesse an der Freigabe einer bestimmten Sicherheit schlüssig darlegen. Die Bank hat die Nachweispflicht ob und in welcher Weise die berechtigten Interessen des Kunden Berücksichtigung gefunden haben. Bei Fehlen klarer Bewertungsrichtlinien und Deckungsgrenzen, droht bei Freigabeverlangen ein zeit- und kostenaufwendiger Rechtsstreit, das sich z.B. der Wert eines Warenlagers nicht einfach und zügig ermitteln lässt. Faktoren wie technischer Standard, Alter und Mängel der Gegenstände sowie deren Absetzbarkeit auf dem Markt können die Bewertung erheblich erschweren und dazu zwingen, einen Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urt. v. 19.3.1992 – IX ZR 166/91).
Praxishinweis:
Bei einem Nachbesicherungsverlangen ist die Bank zur Offenlegung ihrer Berechnungsmethode aufzufordern. Vor schlüssiger Darlegung kann dem Verlangen nicht entsprochen werden, mit der Folge, dass dem Kunden eine Pflichtverletzung i.S.d. Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken/Nr. 22 Abs. 1, 26 Abs. 2b AGB-Sparkassen nicht vorzuwerfen wäre. Bei der Freigabe von Sicherheiten ist es Sache des Kunden, eine nachvollziehbare Expertise bzgl. der einzelnen Gegenstände vorzulegen.