1. Erbschein, §§ 2353 ff. BGB
Muss sich ein Erbe im Rechtsverkehr als solcher legitimieren, stellt das Gesetz hierfür als einen zuverlässigen Nachweis, den Erbschein (§§ 2353 ff. BGB) zur Verfügung. Gemäß § 2353 BGB ist der Erbschein ein Zeugnis über das aus einem Erbfall stammende Erbrecht eines oder mehrerer Erben unter Angabe der damit verbundenen Verfügungsbeschränkungen. Wesentlich für den Erbschein sind die mit ihm verbundenen Legitimationswirkungen:
Für den Rechtsverkehr mit Banken kommt es vor allem auf die Befreiungs- oder Liberationswirkung des Erbscheins (§ 2366 BGB) an. Nur wegen dieser aufgrund des öffentlichen Glaubens ausgelösten Wirkung kann eine Bank an den durch einen Erbschein ausgewiesenen Erben mit befreiender Wirkung leisten (§ 2367 BGB). Neben der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs vom durch einen Erbschein ausgewiesenen und verfügenden Erben (§ 2366 BGB) ist die aufgezeigte Befreiungswirkung von größter praktischer Bedeutung. Die aufgezeigten Wirkungen des Erbscheins entfallen lediglich dann, wenn z.B. die Bank positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins hätte.
Nur in denjenigen Fällen, in denen sich der Schuldner (die Bank) vom Erben – ehe er/sie an ihn eine Leistung erbringt – die Vorlage eines Erbscheins verlangt und der Erbe diesen auch vorlegt, ist er bei einer Leistung an den „Scheinerben“ geschützt (§§ 2366, 2367 BGB, Art. 69 Abs. 3 EU-ErbVO).
2. Europäisches Nachlasszeugnis
Eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Europäischen Union setzt voraus, dass die Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sind, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat, beispielsweise in einem Mitgliedstaat, in dem Nachlassvermögen zu belegen ist, einfach nachzuweisen. Zu diesem Zweck führte die EU-ErbVO ein einheitliches Zeugnis, das Europäische Nachlasszeugnis (Art. 62 ff. EU-ErbVO) ein, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird (Erwägungsgrund 67). Sein Einsatz ist nicht verpflichtend (Art. 62 Abs. 2 EU-ErbVO). Das Europäische Nachlasszeugnis kann auch im Ausstellungsstaat eingesetzt werden (Art. 62 Abs. 3 EU-ErbVO) und deshalb den Erbschein ersetzen. Der Erbschein behält gleichwohl in Deutschland weiterhin seine Gültigkeit.
Hinweis:
Bei Erbfällen mit Auslandsbezug (EU) hat der Erbe in Deutschland die Wahl zwischen Erbschein und Europäischem Nachlasszeugnis. Er kann aber auch beide „Zeugnisse“ nebeneinander beantragen. Zuständig für die Erteilung ist für beide das Nachlassgericht
Europäisches Nachlasszeugnis und Erbschein unterscheiden sich (allerdings) wie folgt:
- Das Europäische Nachlasszeugnis dient ausschließlich dem Nachweis der Erbenstellung und es kann daneben die Stellung als Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger ausgewiesen werden (Art. 63 EU-ErbVO).
- Das Europäische Nachlasszeugnis verbleibt im Original bei der Ausstellungsbehörde (in Deutschland dem Nachlassgericht) und hat grundsätzlich eine Wirkungsdauer von sechs Monaten mit der Möglichkeit der Verlängerung (Art. 69, 70 EU-ErbVO).
Erbschein und Europäisches Nachlasszeugnis begründen gleichermaßen die Vermutung, dass dem Ausgewiesenen das bezeugte Erbrecht zusteht und er keinen als den angegebenen Verfügungsbeschränkungen unterliegt.
Der Gutglaubensschutz allerdings ist unterschiedlich ausgestaltet:
- Der Erbschein ermöglicht einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten, wobei der Erbschein nicht vorgelegt werden muss (sog. abstraktes Vertrauen). Ausgeschlossen ist der gutgläubige Erwerb nur bei positiver Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit.
- Auch das Europäische Nachlasszeugnis ermöglicht einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (Art. 69 Abs. 4 EU-ErbVO). Der Verfügende allerdings muss auf der Grundlage des Zeugnisses handeln (sog. konkretes Vertrauen) und damit zumindest Kenntnis von der Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses haben. Ausgeschlossen ist der gutgläubige Erwerb nicht nur bei positiver Kenntnis von der Unrichtigkeit, sondern – auch – bei grobfahrlässiger Unkenntnis.
- Der Schuldner kann (auch) mit befreiender Wirkung an diejenige Person leisten, die im Europäischen Nachlasszeugnis als Berechtigte ausgewiesen ist (Art. 69 Abs. 3 EU-ErbVO). Das gilt auch im Ausstellungsstaat (Art. 62 Abs. 2 S. 3 EU-ErbVO). Die befreiende Wirkung tritt – im Unterschied zum Erbschein – dann nicht ein, wenn der Schuldner die Unrichtigkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses grob fahrlässig nicht gekannt hat.