1. Ausgleichsabgabe nach § 73 Abs. 1 SGB IX bei untypischen Arbeitsplätzen
Der Kläger des vorliegenden Verfahrens (BVerwG, Urt. v. 30.6.2016 – 5 C 1/15) ist ein als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein. Er beschäftigt Mitarbeiter sowohl in Deutschland als auch im Ausland, um entsprechend seiner Satzung u.a. Menschen in Not zu helfen. Zur Erreichung dieses Zwecks rekrutiert er vor allem für Hilfseinsätze im Ausland Freiwillige, mit denen er im Inland befristete Anstellungsverträge schließt und eine monatliche Aufwandsentschädigung zahlt. Zudem übernimmt er die Kosten für die Reise, Unterkunft und Verpflegung vor Ort. Das insoweit nach § 102 SGB IX zuständige Integrationsamt hat gegen den Kläger eine Ausgleichsabgabe gem. § 73 SGB IX festgesetzt, weil er die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen (s. § 71 Abs. 1 S. 1 SGB IX, wonach private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätzen i.S.d. § 73 SGB IX auf wenigstens 5 % der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen haben) nicht beschäftigte. Hierbei wurden die Auslandsstellen mitgezählt. Der Kläger vertrat die Auffassung, diese Stellen dürften nicht berücksichtigt werden, da sie nach § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX nicht als Arbeitsplätze gelten. VG und OVG teilten diese Auffassung nicht. Die zugelassene Revision des Klägers war im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich.
Gemäß § 73 Abs. 1 SGB IX ist für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SGB IX gelten als Arbeitsplätze nicht Stellen, auf denen Personen eingesetzt werden, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend u.a. durch Beweggründe karitativer Art bestimmt ist. Entgegen den Vorinstanzen und einer auch in der Literatur vertretenen Auffassung stellt diese Norm eine eigenständige Regelung mit einem konstitutiven Regelungsgehalt dar; sie hat gegenüber § 73 Abs. 1 SGB IX nicht nur deklaratorische Bedeutung und erfasst nicht solche Personen, die schon keine Arbeitsplätze i.S.v. Absatz 1 dieser Vorschrift haben. Vielmehr setzt die Vorschrift des § 73 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SGB IX voraus, dass es sich um Arbeitsplätze i.S.v. § 73 Abs. 1 SGB IX handelt, die – wenn die weiteren Voraussetzungen des Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SGB IX vorliegen – nicht als solche gelten. Dieser Auslegung trifft das Gericht bereits aufgrund des Wortlauts der Norm, ferner aus Gründen der Systematik, des Gesetzeszwecks und im Vergleich mit der im Wesentlichen identischen Regelung des § 5 Abs. 2 BetrVG, für die das BAG ebenso entscheidet (s. Beschl. v. 3.6.1975 – 1 ABR 98/74, BAGE 27, 163).
Eine Beschäftigung ist im Sinne der Vorschrift vorwiegend durch Beweggründe karitativer Art bestimmt, wenn auf der Stelle entsprechend ihrer objektiven Zweckbestimmung Personen beschäftigt werden, deren Tätigkeit dadurch geprägt ist, dass für körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen soziale Dienste geleistet werden, die auf die Heilung oder Milderung innerer oder äußerer Nöte des Hilfebedürftigen oder auf deren vorbeugende Abwehr zielen. Dieses Tatbestandsmerkmal war vorliegend gegeben.
Ob eine Beschäftigung i.S.d. § 73 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SGB IX nicht in erster Linie dem Erwerb der Person dient, beurteilt sich danach, ob die gewährten Zuwendungen jedenfalls deutlich hinter dem zurückbleiben, was eine Person mit der die Beschäftigung auf der konkreten Stelle erforderlichen Qualifikation auf einer vergleichbaren Stelle bei einer typisierenden und am Durchschnitt ausgerichteten Betrachtung üblicherweise an Einkommen erzielen kann. Die von der Stelle unabhängigen individuellen Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des konkreten Beschäftigten bleiben außer Betracht.
Hinweis:
Die Zurückverweisung erfolgte um zu klären, ob auch dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt war.
2. Unfallversicherungsrecht, Weihnachtsfeier als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung
Eine den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründende Tätigkeit kann auch die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (z.B. einer Weihnachtsfeier) begründen. Für den Versicherungsschutz ist es erforderlich, dass die Veranstaltung "im Einvernehmen" mit der Unternehmensleitung stattfindet, wobei diese nicht selbst Veranstalter sein muss; es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert, was sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (z.B. der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken muss, sondern die Durchführung als Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein (s. bereits BSG v. 26.6.2014 – B 2 U 7/13 R).
Hinweis:
Soweit das BSG bislang als weiteres Kriterium für die versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung darauf abgestellt hat, die Unternehmensleitung müsse persönlich an der Feier teilnehmen, wird hieran nicht länger festgehalten. Für den erforderlichen betrieblichen Zweck der Gemeinschaftsveranstaltung sei es ausreichend, wenn durch sie das Betriebsklima gefördert und der Zusammenhalt der Beschäftigten untereinander gestärkt wird. Das gerade ...