a) Höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG)
Die Norm des § 7 Abs. 2 StVG schließt die Halterhaftung aus, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden ist. § 7 Abs. 2 StVG lautet: "Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird." Da die Anforderungen der Rechtsprechung an das Vorliegen höherer Gewalt sehr hoch sind, kommt diesem Haftungsregulativ in der Praxis kaum eine Bedeutung zu und ist auf krasse Ausnahmefälle beschränkt.
aa) Begriff
Höhere Gewalt bedeutet unabwendbarer Zufall. Für den Begriff kann die Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2 HPflG herangezogen werden (OLG Oldenburg VersR 2005, 807; Hentschel/König, a.a.O., § 7 StVG Rn 32). Der Zufall ist nicht auf Ereignisse beschränkt, die von außen her einwirken, sondern erfasst sämtliche Fälle, in denen der Unfall auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt nicht vermieden werden kann; schon das geringste Verschulden des Schädigers schließt höhere Gewalt aus (vgl. BGHZ 81, 353, 355 = NJW 1982, 96; BGH NJW 1997, 3164). Nach einer anderen Definition ist höhere Gewalt ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch nach den Umständen durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf reine Häufigkeit in Kauf genommen werden muss (BGH NJW 1986, 2312; OLG Saarbrücken NJW-RR 2018, 347; OLG Schleswig r+s 2018, 153). Es gilt ein objektiver Maßstab.
bb) Beispiele
Die Annahme höherer Gewalt kommt nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht, so etwa wenn ein Fahrzeug aufgrund eines plötzlichen Blitzeinschlags oder eines Erdrutsches von der Fahrbahn abkommt oder wenn ein Dritter ein Kfz in Brand setzt oder in sonstiger Weise einen Sabotageakt verübt (z.B. Durchtrennen der Bremsleitung; vgl. BGHZ 105, 135, 136 = NJW 1988, 2733) oder wenn Jugendliche von einer Brücke Steine auf vorbeifahrende Autos werfen und diese dadurch einen Unfall verursachen.
Unter höhere Gewalt fallen dagegen nicht plötzliche Witterungsänderungen und -einflüsse, weil diese für einen Autofahrer meistens vorhersehbar sind. Bei plötzlicher Glätte oder starkem Regen muss er seine Geschwindigkeit angemessen herabsetzen oder anhalten. Ebenso stellen die Fälle der Unabwendbarkeit (z.B. Kleinkind läuft plötzlich hinter einem geparkten Auto auf die Straße) keine höhere Gewalt dar, weil sich gerade in diesen Fällen die mit dem Kfz-Betrieb verbundene Betriebsgefahr typischerweise realisiert. Keine höhere Gewalt liegt deshalb auch dann vor, wenn ein Kind mit seinem Fahrrad gegen ein ordnungsgemäß am Fahrbahnrand geparktes Auto fährt; in solchen Fällen ist aber u.U. § 828 Abs. 2 BGB im Wege der teleologischen Reduktion nicht anwendbar, so dass das Kind ggf. voll haftet (BGHZ 161, 180 = NJW 2005, 354; NJW-RR 2005, 327; zur Abgrenzung s. BGHZ 172, 83 = NJW 2007, 2113; NJW 2008, 147; NJW-RR 2009, 95). Höhere Gewalt ist auch zu verneinen, wenn ein Kfz auf einer nicht erkennbaren Ölspur ins Schleudern gerät oder wenn ein Kfz durch Kupferrohre beschädigt wird, die über das Heck eines vorausfahrenden Kleintransporters hinausragen (LG Itzehoe NZV 2004, 364).
b) Unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3, 4 StVG)
Bei Unfällen zwischen zwei Kfz schließt die Norm des § 17 Abs. 3 StVG die Halterhaftung aus, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist.
Hinweis:
Für den Fahrer gilt § 17 Abs. 3 StVG nicht; im Falle der Unabwendbarkeit wird ihm allerdings i.d.R. die Widerlegung der Verschuldensvermutung in § 18 StVG gelingen, so dass er ebenfalls nicht haftet.
Durch die Verweisung in § 17 Abs. 4 StVG ist Absatz 3 entsprechend anzuwenden auf Unfälle zwischen einem Kfz und einem Anhänger, zwischen einem Kfz und einem Tier und zwischen einem Kfz und einer Eisenbahn. Sie greift dagegen nicht ein bei Unfällen eines Kfz mit einem Fußgänger oder einem Radfahrer. Durch § 17 Abs. 3 S. 3 StVG wird klargestellt, dass auch der Eigentümer eines Kfz, der nicht zugleich Halter ist (z.B. beim Fahrzeugleasing), in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen ist, so dass sich z.B. der "Idealfahrer" auch gegenüber dem Eigentümer des anderen Unfallfahrzeugs auf den Haftungsausschluss der Unabwendbarkeit berufen kann; dagegen sind die Regelungen der Absätze 1 und 2 auf den Kfz-Eigentümer, der nicht zugleich Halter ist, nicht anwendbar (BGHZ 173, 182 = NJW 2007, 3120). Haben sich beide Autofahrer "ideal" verhalten, entfällt der Ausgleich gänzlich und jeder trägt seinen eigenen Schaden allein.
§ 17 Abs. 3 StVG lautet:
Zitat
Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Verrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfal...