aa) Adäquanztheorie
Zwischen dem Kfz-Betrieb und dem eingetretenen Schaden muss ein adäquater Ursachenzusammenhang, d.h. ein rechtlicher Zurechnungszusammenhang, bestehen (BGHZ 115, 84 = NJW 1991, 2568; BGH NJW 2017, 1173). Adäquat ist ein Umstand, der im Allgemeinen, nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen Umständen den herbeigeführten Schaden verursacht.
Damit die auf eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ausgerichtete Adäquanztheorie nicht zu einer uferlosen Haftungsausdehnung führt, ist sie auch im Straßenverkehrshaftungsrecht durch den Schutzzweckgedanken zu modifizieren. Der Schaden muss also vom Schutzzweck der verletzten Norm umfasst sein (BGHZ 115, 84, 86 = NJW 1991, 2568; BGH NJW 2018, 541).
Hinweis:
Eine Schadensersatzpflicht besteht auch bei adäquater Kausalität nur, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der Norm, im Rahmen des § 7 Abs. 1 StVG also regelmäßig unter den Schutzzweck der §§ 1 ff. StVO, fällt.
Der entstandene Schaden muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen, eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht (BGH NJW 2018, 541). Tritt z.B. bei einem Kfz die Fahrzeugeigenschaft gegenüber der Verwendung als Arbeitsmaschine deutlich zurück, wie etwa das Betreiben einer Pumpe zum Ölentladen durch den Fahrzeugmotor, ist der Zurechnungszusammenhang und damit eine Haftung aus § 7 StVG zu verneinen (BGHZ 113, 164 = NJW 1991, 1171; BGH NZV 1995, 185). Der Schaden darf also nicht nur bloß zufällig durch ein vom Kfz-Betrieb unabhängiges, nach der Erfahrung sonst unschädliches Ereignis ausgelöst worden sein.
Beispiele:
- Bei der Beschädigung eines ordnungsgemäß geparkten Kfz durch eine Dachlawine ist daher eine (Mit-)Haftung ebenso zu verneinen (BGH NJW 1980, 1579) wie bei der durch (üblichen) Fahrzeuglärm ausgelösten Panikreaktion von Tieren (BGHZ 115, 84 = NJW 1991, 2568; OLG Hamm MDR 1997, 350; zu Recht anders für einen Autokorso mit Hupgeräuschen: LG Köln NJW-RR 1998, 320) oder bei einer unfallbedingten Sperrung der Autobahn (BGH NJW 2015, 1174).
- Eine Haftung ist auch zu verneinen, wenn ein Fahrgast nach dem Aussteigen aus einem Bus stürzt, weil dieser inzwischen angefahren ist und der Stürzende sich dadurch nicht an dem Bus festhalten kann (OLG Köln NZV 1989, 2618), wenn der Unfallgegner fälschlich der Trunkenheit bezichtigt wird und infolge seiner Erregung hierüber einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erleidet (BGH NJW 1989, 2618) oder wenn nach einem fremdverschuldeten Unfall ein Hund aus dem verunfallten Kfz springt und in einiger Entfernung zwei Stunden später von einem anderen Auto angefahren wird (LG Hamburg NZV 2018, 191).
bb) Keine Fahrzeugberührung erforderlich
Der Ursachenzusammenhang mit dem Kfz-Betrieb setzt keine Fahrzeugberührung voraus (BGH NJW 2005, 2081; 2017, 1173). So genügt es für eine Haftung, wenn die Fahrweise eines Kfz (z.B. Schlangenlinien) dazu beiträgt, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug beim Ausweichversuch von der Fahrbahn abkommt und dadurch verunfallt (BGH VersR 1983, 985; OLG Brandenburg NJW 2009, 2962). Ebenso genügt es, wenn ein Motorradfahrer durch das zu dichte Überholmanöver eines Lkw zum Sturz gebracht wird (BGH NJW 1972, 1808) oder ein Fahrzeug durch die von einem Panzer oder einem Baustellenfahrzeug herrührende Straßenverschmutzung ins Schleudern gerät (BGH NJW 1982, 2669).
Hinweis:
Andererseits kann allein aus der Tatsache, dass es im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Überholmanöver eines Motorrads zu einem berührungslosen Unfall eines gleichfalls überholenden Pkw gekommen ist, nicht geschlossen werden, dass dieser Unfall durch den Betrieb des Motorrads verursacht worden ist (BGH NJW 2017, 1173).
cc) Verfolgungsunfälle
Bei den sog. Verfolgungsunfällen, also insbesondere dem Unfall eines Polizeifahrzeugs bei der Verfolgung eines Fluchtwagens, kommt eine Zurechnung nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte durch vorwerfbares Tun des Schädigers zu selbstgefährdendem Verhalten herausgefordert worden ist und sein Willensentschluss auf einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht, wobei der Schaden gerade infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden sein muss; auch dann scheidet eine Zurechnung aber aus, wenn sich der Verfolger diesen Gefahren in gänzlich unangemessener Weise ausgesetzt hat (BGHZ 57, 25, 31 = NJW 1971, 1980; BGHZ 132, 164, 169 = NJW 1996, 1533). Neben der Verwirklichung eines verfolgungstypischen Risikos ist also der Entschluss des Verfolgers unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls wertend auf seine Vernünftigkeit zu überprüfen, wobei insbesondere zwischen dem eingegangenen Risiko und dem erstrebten Erfolg ein angemessenes Verhältnis bestehen muss (BGH a.a.O.).
Kommt nicht der Verfolger, sondern der Flüchtende zu Schaden, haftet der Verfolger, wenn für die Verfolgung kein rechtlich anerkannter Grund bestand (z.B. § 127 StPO). Bestand ein solcher, muss der Flüchtende seinen Schaden selbst tragen (MüKo-Oetker, BGB, 7. Aufl., § 249 Rn 175). Erleidet ein Dritter...