1. Nichtzulassungsbeschwerde: neues Vorbringen nach Ablauf Begründungsfrist
Wird die Nichtzulassung der Revision in einer Entscheidung der Vorinstanz mit der Beschwerde angegriffen, ist der Prüfungsrahmen auf die gem. § 133 Abs. 3 VwGO fristgerecht vorgetragenen Beschwerdegründe i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt (BVerwG, Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 10 Rn 4 m.w.N.). Die Beschwerdebegründung kann nach Ablauf der Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 S. 1 VwGO zwar noch ergänzt und vertieft werden, der Vortrag neuer oder bislang den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 S. 3 VwGO nicht genügender Zulassungsgründe ist nach Ablauf der Frist aber nicht mehr berücksichtigungsfähig (BVerwG, Beschl. v. 20.2.2014 – 8 B 64.13 Rn 47). Eine § 133 Abs. 3 S. 3 VwGO gemäße Darlegung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts herausarbeitet und formuliert. Außerdem bedarf es der Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (st. Rspr., vgl. BVerwG, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 100 S. 127, 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 S. 14). Daraus folgert das BVerwG, dass eine nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist bezeichnete Rechtsfrage, die sich nicht lediglich auf eine Ergänzung oder Vertiefung des fristgerechten Beschwerdevorbringens beschränkt, die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht begründen könne (BVerwG, Beschl. v. 16.8.2017 – 3 B 53.16). Ein solches Vorbringen sei verspätet und daher nicht berücksichtigungsfähig.
2. Rüge des Gehörverstoßes: Anforderungen
Ein Zulassungsgrund im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO gewährleistet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen äußern können. Es verbietet, gerichtliche Entscheidungen ohne vorherigen Hinweis auf einen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zu stützen, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem Prozessverlauf nicht rechnen muss (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; BVerwG ZOV 2010, 148). Erübrigt sich danach ein Hinweis, besteht auch keine Pflicht, unabhängig vom Vortrag der Beteiligten auf eine Erörterung der entsprechenden Gesichtspunkte hinzuwirken (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 44).
Das BVerwG hat die Anforderungen an die Rüge des Gehörverstoßes herausgestellt (Beschl. v. 13.7.2017 – 8 B 63.16, ZOV 2017, 153 ff.). Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung eines Gehörsverstoßes sei es nicht nur erforderlich, die Gesichtspunkte genau zu benennen, wegen derer das Verwaltungsgericht Gehör hätte gewähren müssen. Es müsse darüber hinaus auch vorgetragen werden, was bei ausreichender Gehörsgewährung konkret vorgetragen worden wäre und inwiefern der konkrete weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
3. Besorgnis der Befangenheit
Das BVerwG weist darauf hin, dass richterliche Hinweise und Anregungen Aufgabe des Richters seien (Amtsermittlung § 86 VwGO; Konzentration § 87 Abs. 1 S. 1 VwGO) und grundsätzlich keine Befangenheitsablehnung rechtfertigten (BVerwG, Beschl. v. 10.10.2017 – 9 A 16.16, DRiZ 2018, 34 f. = LKV 2017, 556 ff. = NVwZ 2018, 181 ff. = UPR 2018, 66 ff.). Dies gelte auch dann, wenn hierdurch die Prozesschancen einer Partei verringert würden. Jedoch dürfe sich das Gericht nicht durch Empfehlungen zur Fehlerbehebung zum Berater der Behörde machen. Den Verwaltungsgerichten komme nicht die Funktion eines "Reparaturbetriebs" der Verwaltung zu. Richterliche Hinweise auf eine für erforderlich erachtete Substantiierung des Vortrags nur zugunsten eines Beteiligten, das Aufzeigen von für die Verwaltung günstigen Gestaltungsmöglichkeiten oder eine zielgerichtete Initiierung von Verfahren zur Fehlerheilung gingen daher – vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls – über die Grenzen des Zulässigen hinaus. Sie könnten folglich grundsätzlich geeignet sein, die Besorgnis einer ungleichen Distanz zu den Beteiligten und damit einer Befangenheit zu begründen.
4. Mündliche Verhandlung: Wiedereröffnung
Die in § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO vorgesehene Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zwar kann sich dieses Ermessen, etwa durch die Verpflichtung des Gerichts nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren, oder durch die Pflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt umfassend aufzuklären, zu einer Rechtspflicht zur Wiedereröffnung verdichten (BVerwG, Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25). Nachgelassene oder nachgereichte Schriftsätze erzwingen nach dem Beschluss des BVerwG vom 12.7.2017 (4 BN 9.17) jedoch nur dann eine Wiedereröffnung, wenn das Gericht ihnen wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will.
Autor: VorsRiVG Prof. Dr. Bernd Andrick, Gelsenkirchen
ZAP F. 19 R, S. 681–690