Drei Fallgruppen stehen für die Gehörsrüge im Vordergrund:
(1) Die Verletzung von Informationspflichten
Ein Amtsrichter hatte beschlossen, nach § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Dieser Beschluss sollte zugleich mit der Klagerwiderung der Kläger mittels Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Ein Empfangsbekenntnis ging bei Gericht nicht ein. Das Gericht wies die Klage ab. Der Kläger hatte die zuzustellenden Unterlagen nicht erhalten und erhob deshalb Gehörsrüge nach § 321a ZPO. Der Amtsrichter wies auch die Anhörungsrüge zurück. Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich, weil eine grobe Verletzung des von der Verfassung gewährten Schutzes und ein leichtfertiger Umgang mit den grundgesetzlich gesicherten Positionen vorliege. Zur Informationspflicht heißt es: "Die Gelegenheit zur Äußerung muss daher grundsätzlich zu jedem dem Gericht unterbreiteten Vortrag eingeräumt werden, soweit er für die Entscheidung erheblich ist. Dementsprechend darf das Gericht nur solche Tatsachen verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher äußern konnten. Für das Gericht ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ferner die Pflicht, vor dem Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten das rechtliche Gehör auch tatsächlich gewährt wurde. Insbesondere dann, wenn dem Gebot des Art. 103 Abs. 1 GG durch die Übersendung von Schriftsätzen genügt werden soll, hat das Gericht – etwa durch förmliche Zustellung oder Beifügen einer rückgabepflichtigen Empfangsbescheinigung – zu überwachen, ob die Verfahrensbeteiligten in ihren Besitz gelangt sind" (BVerfGK NJW 2006, 2248).
(2) Übergehen von Vortrag
Das Gericht darf entscheidungserheblichen Vortrag nicht übergehen. Zwar sind insbesondere letztinstanzliche Entscheidungen nicht gehalten, sich in den Entscheidungsgründen mit allen Erwägungen der Verfahrensbeteiligten auseinanderzusetzen (BVerfGK 2, 290, 294 = NJW 2004, 1519). Der Hinweis auf fehlende Ausführungen in den Entscheidungsgründen genügt deshalb nicht, weil der Richter aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts Vortrag unberücksichtigt lassen darf. Der Beschwerdeführer muss vielmehr anhand einer Prüfung des formellen und materiellen Rechts die Entscheidungserheblichkeit des nach seiner Auffassung übergangenen Vortrags prüfen, um so die "besonderen Umstände" begründen zu können, die das BVerfG für ein unzulässiges Übergehen von Vortrag fordert. Insbesondere bei übergangenen Beweisangeboten hat die Rechtsprechung das Kriterium entwickelt, die Unzulässigkeit des richterlichen Vorgehens ergebe sich dann, wenn die Verfahrensweise des Gerichts im Prozessrecht "keine Stütze mehr findet" (BVerfGK 3, 143, 145).
(3) Überraschungsentscheidung
Es wird oft gerügt, das Gericht habe die Parteien mit seiner Entscheidung überrascht. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt jedoch nur dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf Überlegungen stützt, mit denen auch ein rechtskundiger und gewissenhafter Verfahrensbeteiligter nicht rechnen konnte (st. Rspr. BVerfGK NJW 2003, 2524). Diese Voraussetzung wird selten erfüllt werden können, am ehesten noch dann, wenn das Gericht sich dezidiert auf eine Rechtsauffassung festgelegt hatte, dann aber gegenteilig entscheidet.