1. Allgemeines
Zunächst ist aber festzustellen, dass eine Pflicht zur Gewährung landesverfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes aufgrund der Alleinzuständigkeit der Länder nicht besteht. Insofern macht das GG auch strukturell keine verbindlichen Vorgaben, erst recht nicht hinsichtlich des Rechtsmittels einer Verfassungsbeschwerde. Eine analoge Anwendung des BVerfGG ist ausgeschlossen.
Es ist also zu klären, in welchen Ländern das Instrument der Landesverfassungsbeschwerde eingerichtet worden ist (s. dazu v. Coelln, Anwendung von Bundesrecht nach Maßgabe der Landesgrundrechte, 2001, S. 66 ff.; Menzel, Landesverfassungsrecht, 2002, S. 532 ff.; Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 5. Aufl. 2017, Rn 215 ff.).
2. Zulässigkeit von Landesverfassungsbeschwerden
Das führt zu folgendem Katalog der Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden zu den Landesverfassungsgerichten:
- Baden-Württemberg: Gemäß § 55 Abs. 1 VerfGHG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Verfassungsbeschwerden, soweit nicht Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erhoben ist oder wird. Die Verfassungsbeschwerde kann jedermann erheben, der behauptet, durch die öffentliche Gewalt des Landes in einem seiner in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg enthaltenen Rechte verletzt zu sein (s. Aufzählung der Landesgrundrechte, sowie der inkorporierten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte des GG: Zuck, Die Landesverfassungsbeschwerde in Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2013, Rn 81). Der Rechtsweg muss erschöpft sein (§ 55 Abs. 2 S. 1 VerfGHG). Es gilt jedoch eine § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG vergleichbare Regelung, § 55 Abs. 2 S. 2 VerfGHG. Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen (§ 56 Abs. 2 S. 1 VerfGHG), bei Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsnormen binnen eines Jahres (§ 56 Abs. 4 VerfGHG). Die Entscheidung des BWVerfGH ergeht i.d.R. ohne mündliche Verhandlung (§ 58 Abs. 1 VerfGHG) durch schriftlichen Beschluss. Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden führen bei gerichtlichen Entscheidungen zu deren Aufhebung und zur Rückverweisung an ein zuständiges Gericht, bei Rechtsnormen zur Entscheidung der Nichtigkeit oder Unvereinbarkeit (§§ 59 Abs. 2, 50 VerfGHG).
Bayern: Rechtsgrundlage ist Art. 120 BV: „Jeder Bewohner Bayerns, der sich durch eine Behörde in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, kann den Schutz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes anrufen”.
- Entgegen dem Wortlaut der Landesverfassung steht das Recht Verfassungsbeschwerde zu erheben nach ständiger Rechtsprechung des BayVerfGH im Hinblick auf Art. 33 Abs. 1 GG nicht nur "jedem Bewohner Bayerns", sondern allen Deutschen unabhängig vom Wohnsitz zu. Dies gilt auch für eine juristische Person des Privatrechts mit Sitz in Deutschland (BayVerfGH BayVBl 2013, 81) und entsprechend für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (zuletzt BayVerfGH v. 2.5.2018 – Vf. 58-VI-17).
- Angriffsgegenstand ist der jeweilige Einzelakt, also eine gerichtliche Entscheidung oder eine Verwaltungsentscheidung. Will sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen eine Rechtsnorm wenden, so steht ihm dafür nur die Popularklage gem. Art. 53 VerfGHG zur Verfügung.
- "Ist hinsichtlich des Beschwerdegegenstands ein Rechtsweg zulässig, so ist bei Einreichung der Beschwerde nachzuweisen, dass der Rechtsweg erschöpft ist" (Art. 47 Abs. 2 S. 1 VerfVGHG). Das gilt nur dann nicht, wenn die Erschöpfung des Rechtswegs unzumutbar ist. Eine § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG vergleichbare Regelung fehlt. Zum Subsidiaritätsgrundsatz s. BayVerfGH BayVBl 2006, 381.
- Prüfungsmaßstab sind die "verfassungsmäßigen Rechte" (Art. 120 BV), d.h. subjektive Rechte, die aus der Verfassung abgeleitet werden. Der BayVerfGH hat seinen Standpunkt zu den anzuwendenden Prüfmaßstäben so zusammengefasst: "Wird Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung eingelegt, so kann diese nur in engen Grenzen überprüft werden. Der Verfassungsgerichtshof ist kein Rechtsmittelgericht. Es ist nicht seine Aufgabe, Entscheidungen der Gerichte allgemein auf die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen, der Auslegung der Gesetze und deren Anwendung auf den konkreten Fall zu kontrollieren. Vielmehr ist nur zu prüfen, ob das Gericht gegen die vom Beschwerdeführer bezeichneten subjektiven Rechte der Bayerischen Verfassung verstoßen hat".
- Gegenüber der Anwendung von Bundesrecht, beschränkt sich die Prüfung aufgrund der Normenhierarchie darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat. In verfahrensrechtlicher Hinsicht prüft der Verfassungsgerichtshof auch Entscheidungen, die auf Bundesrecht beruhen und in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, daraufhin nach, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (st. Rspr., BayVerfGH v.15.2.2016 – Vf. 45-VI-15, juris).
- Die Verfassungsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Es gibt kein besonderes Annahmeverfahren. Die Rechtshängigkeit eines Verfahrens beim BVerfG oder eine Entscheidung des BVerfG steht einer Entscheidung des BayVerfGH nicht entgegen.
- "Wird einer ...