In der Praxis spielt die sog. Umbeiordnung des Pflichtverteidigers eine große Rolle (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 3210 ff.). So auch in dem OLG Celle, Beschl. v. 6.2.2019 (2 Ws 37/19, StraFo 2019, 263) zugrunde liegenden Verfahren, in dem ein einvernehmlicher Wechsel des Pflichtverteidigers vorgenommen worden ist. Das AG hatte dem Angeklagten zunächst einen ortsansässigen Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt. Diesen hat das AG dann später entpflichtet und einen anderen (Wahl)Pflichtverteidiger beigeordnet, der seinen Kanzleisitz in einem anderen Ort hatte, mit dem Hinweis, dass durch die Umbeiordnung entstehende Mehrkosten nicht erstattet werden. Dagegen hatte der Pflichtverteidiger Beschwerde eingelegt, die aber u.a. mit der Begründung verworfen worden war, dass die erfolgte Umbeiordnung nur möglich gewesen sei, wenn der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen. Im Rahmen der Kostenfestsetzung beantragt der Verteidiger dann die Gebührenfestsetzung. Dem Antrag ist von der Kostenbeamtin nur teilweise entsprochen worden. Sie hat die Fahrtkosten für drei Hauptverhandlungstermine (Nr. 7003 VV RVG) und Abwesenheitsgelder nebst anteiliger Umsatzsteuer in Abzug gebracht. Diese Kostenpositionen seien lediglich durch die Umbeiordnung entstanden, da der Verteidiger aus einem anderen Ort komme und nicht wie der vormalige Verteidiger ortsansässig sei-. Dagegen richtete sich das Rechtsmittel des Verteidigers, das Erfolg hatte.
Ausgangspunkt für die Überlegung, welche Kosten festzusetzen sind, war für das OLG Celle (a.a.O.) § 48 Abs. 1 RVG. Danach bestimmt sich der Vergütungsanspruch des bestellten Verteidigers nach dem Beiordnungsbeschluss. Durch diesen wurde hier eine Erstattung der durch die Umbeiordnung entstandenen Mehrkosten ausgeschlossen. Das OLG Celle geht davon aus, dass von dem auslegungsfähigen Begriff der "Mehrkosten" die hier geltend gemachten Positionen der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes aber nicht erfasst werden. Mit dem Begriff der Mehrkosten werden Fiskalinteressen geschützt: Der Fiskus solle durch den Sinneswandel des Beschuldigten nicht belastet werden. Die so zu schützenden Fiskalinteressen reichen aber nicht weiter, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können (OLG Oldenburg StRR 5/2017, 4; Beschl. v. 23.4.2015 – 1 Ws 170/15). Angesichts der durch das 2. ORRG v. 29.7.2009 erfolgten Streichung der früheren gesetzlichen Einschränkung, dass der Verteidiger möglichst aus der Zahl der örtlichen Rechtsanwälte ausgewählt werden sollte, sei die Gerichtsnähe des Verteidigers keine wesentliche Voraussetzung mehr (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., 2019, § 142, Rn 5; vgl. Laufhütte in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl., 2019, § 142, Rn 5). Zwar könne der ortsferne Kanzleisitz des gewählten Verteidigers nach wie vor im Einzelfall einen Grund darstellen, die Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts abzulehnen. Im Bestellungsverfahren trete der Gesichtspunkt der Ortsnähe im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung aber grundsätzlich gegenüber dem besonderen Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu seinem Verteidiger zurück (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695; BGHSt 43, 153; OLG Stuttgart StraFo 2006, 112). Der Umstand der Ortsferne stehe nur dann der Bestellung entgegen, wenn dadurch eine sachdienliche Verteidigung des Beschuldigten bzw. der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet werden (OLG Brandenburg StRR 2015, 181). Unter Berücksichtigung dieser Wertung sei der Begriff der "Mehrkosten" dahingehend zu verstehen, dass diejenigen Gebührenpositionen ausgeschlossen werden sollen, die durch die Umbeiordnung doppelt entstehen und damit den Fiskus "ohne wichtigen Grund" i.S.d. Widerrufsmöglichkeit einer Bestellung nach § 143 StPO belasten würden. Im Übrigen wäre das "nachträgliche" Entstehen von Fahrtkosten auch bei einer im Laufe des Strafverfahrens eingetretenen beruflichen Veränderung eines von Beginn an beigeordneten Verteidigers denkbar, etwa bei einem Kanzlei- und damit verbundenen Bezirkswechsel.
Hinweis:
Der Beschluss hat die für die Praxis des Rechts der Pflichtverteidigung wichtigen Frage, wie auch schon früher das OLG Oldenburg in den zitierten Entscheidungen, richtig entschieden. Man kann natürlich darüber streiten, ob die Einschränkung "keine Mehrkosten" überhaupt zulässig ist, aber der Streit bringt m.E. nichts. Die h.M. in der Rechtsprechung geht in die andere Richtung (zur Auswahl des Pflichtverteidigers Burhoff, EV, Rn 2.998 ff. und zur Entpflichtung/Umbeiordnung Rn 3187 ff.). Interessant sind in dem Zusammenhang die Ausführungen des OLG zum Kriterium "Ortsnähe" – "in einem entsprechenden Einzelfall einer Bestellung entgegenstehen". Generell steht die "Ortsferne" also nicht (mehr) entgegen.