I. Vorbemerkung
Ich hatte in ZAP F. 22 R, S. 1103 auf die Änderung des § 350 StPO durch das "Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung vom 17.12.2018", das am 21.12.2108 in Kraft getreten ist (BGBl I, S. 2.571), hingewiesen. Durch diese Änderungen ist in § 350 StPO der alte Absatz 3 der Vorschrift entfallen.
Diese Regelung war die Grundlage für die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, dass eine Pflichtverteidigerbestellung aus dem Erkenntnisverfahren nicht für die Revisionshauptverhandlung gilt, sondern der Verteidiger für diese vom Revisionsgericht gesondert bestellt werden musste.
Diese Auffassung wird man jetzt kaum mehr aufrechterhalten können. Dies gilt vor allem, wenn man die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/4467, S. 24 f.) liest, in der es ausdrücklich heißt, dass "auch im Bereich der Revisionshauptverhandlung künftig allein die allgemeinen Vorschriften über die notwendige Verteidigung zur Anwendung gelangen [sollen]. Die bisher vertretene Auffassung, die Bestellung eines Pflichtverteidigers wirke zwar im Revisionsverfahren grundsätzlich fort, ende aber vor der Revisionshauptverhandlung, wird sich nach der Streichung der Sonderregelung des § 350 Abs. 3 StPO und angesichts der systematischen Stellung des § 140 StPO nicht mehr halten lassen. Vielmehr wird davon auszugehen sein, dass eine bereits erfolgte Pflichtverteidigerbestellung fortwirkt und bei einem nicht verteidigten Angeklagten die Notwendigkeit einer Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung – insbesondere am Maßstab des § 140 Abs. 2 StPO – stets zu prüfen ist."
Hinweise:
Aus dieser Änderung folgt: Eine Pflichtverteidigerbestellung gilt (jetzt) auch im Revisionsverfahren. Gegebenenfalls sollte der Verteidiger sich das, bis die Revisionsgerichte gezeigt haben, wohin der Weg geht, in einem Beschluss „bestätigen” lassen.
Im Übrigen: In der Regel wird der Angeklagte im Revisionsverfahren nicht unverteidigt sein. Entweder ist ihm nach § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt worden oder, wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet (auch) nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 StPO. Sollte der Fall eintreten, dass ein unverteidigter Angeklagter erst kurz vor der Revisionshauptverhandlung in anderer Sache inhaftiert oder in eine Anstalt eingewiesen wird, so hat das Revisionsgericht dem Angeklagten jedenfalls nach § 140 Abs. 2 StPO einen Verteidiger zu bestellen.
II. Ermittlungsverfahren
1. Anforderungen an die Ausgestaltung des richterlichen Bereitschaftsdiensts
Das BVerfG hat in seinem Beschl. v. 12.3.2019 (2 BvR 675/14, ZAP EN-Nr. 249/2019 = NJW 2019, 1428) noch einmal/erneut zum richterlichen Bereitschaftsdienst Stellung genommen. Das Verfahren geht zurück auf zwei Wohnungsdurchsuchungen, die im September 2013 (!) morgens zwischen 4 Uhr und 5 Uhr von der Polizei und der Staatsanwaltschaft wegen Gefahr im Verzug angeordnet worden waren. Der (spätere) Beschuldigte wurde am frühen Samstagmorgen des 14.9.2013 von Rettungskräften in Rostock aufgefunden. Er befand sich infolge eines akuten Rauschzustands in hilfloser Lage. Da die Rettungskräfte baten, in der Wohnung nach Personaldokumenten und Hinweisen darauf zu suchen, was die Person zu sich genommen haben könnte, betraten die Polizeibeamten seine Wohnung, während der Beschuldigte in das Universitätsklinikum Rostock verbracht wurde. Dort fanden die Polizeibeamten u.a. zwei große Plastiktüten mit Cannabisprodukten. Aufgrund ihres Fundes gingen die Polizeibeamten von einem Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus. Sie hielten deshalb telefonisch Rücksprache mit der zuständigen Bereitschaftsstaatsanwältin, die um 4:44 Uhr die Durchsuchung der Wohnung zur Beschlagnahme von Beweismitteln anordnete. Ob sie zuvor versucht hatte, den zuständigen Ermittlungsrichter des AG Rostock zu erreichen, ließ sich der Ermittlungsakte nicht entnehmen. Bei der dann vollzogenen Durchsuchung wurden u.a. Cannabisprodukte beschlagnahmt. Die Rechtsmittel des Beschuldigten gegen die nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnungen und die gerichtlichen Bestätigungsbeschlüsse hatten keinen Erfolg. Den hat erst die Verfassungsbeschwerde gebracht, allerdings nur betreffend die Durchsuchungsanordnung der Bereitschaftsstaatsanwältin.
Das BVerfG (a.a.O.) geht von einer Verletzung der Grundrechte des Beschuldigten aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG aus. Die staatlichen Organe seien verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die effektive Durchsetzung des grundrechtssichernden Richtervorbehalts gem. Art. 13 Abs. 2 Hs. 1 GG gewährleistet sei. 13 GG verpflichte die für die Organisation der Gerichte zuständigen Organe der Länder und des Bundes, die Voraussetzungen für eine tatsächlich wirksame präventive richterliche Kontrolle – u.a. eine ausreichende sachliche und personelle Ausstattung der Gerichte – zu schaffen (BVerfGE 103, 142, 152 = NJW 2002, 1233; BVerfGE 139, 245, 267 = NJW 2015, 2787 = StRR 2015, 381 mit Anm. Laudon). Aus Art. 13 Abs. 2 GG folge aber nicht, dass an allen nach § 162 Abs. 1 S. 1 StPO für die ermittlungsrichterlichen Aufgaben zuständigen AG von Verfassungs wegen e...