Die Einführung von Sammelklagen in der EU ist einen weiteren wichtigen Schritt vorangekommen. Am 22. Juni haben sich die Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments und des EU-Rats über die ersten EU-weiten Regeln für kollektive Rechtsbehelfe, sog. Sammelklagen, geeinigt.
Die neuen Regeln führen ein harmonisiertes Modell für Sammelklagen in allen Mitgliedstaaten ein. Damit sollen Verbraucher besser vor Massenschadensereignissen geschützt werden; Anlass war die Aufdeckung des VW-Abgasskandals. Allerdings sollen durch angemessene Garantien auch missbräuchliche Klagen vermieden werden. Das neue Gesetz zielt insgesamt auch darauf ab, das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern, indem es die Instrumente zur Unterbindung illegaler Praktiken verbessert und den Verbrauchern den Zugang zur Justiz erleichtert.
Die Hauptelemente der jetzt gefundenen Einigung sind:
- Jeder Mitgliedstaat muss mindestens eine qualifizierte Stelle (eine Organisation oder eine öffentliche Einrichtung) benennen, die befugt ist und finanziell unterstützt wird, Unterlassungs- und Rechtsschutzklagen im Namen von Verbrauchergruppen einzuleiten und den Zugang der Verbraucher zum Recht zu gewährleisten
- Bei den Kriterien für die Benennung qualifizierter Einrichtungen unterscheiden die Vorgaben zwischen grenzüberschreitenden Fällen und inländischen Fällen. Bei den ersteren müssen die Einrichtungen eine Reihe harmonisierter Kriterien erfüllen. Sie müssen eine 12-monatige Tätigkeit zum Schutz der Verbraucherinteressen vor ihrem Antrag auf Ernennung als qualifizierte Einrichtung nachweisen, einen gemeinnützigen Charakter haben und sicherstellen, dass sie unabhängig von Dritten sind, deren wirtschaftliche Interessen dem Verbraucherinteresse entgegenstehen.
- Für innerstaatliche Klagen müssen die Mitgliedstaaten geeignete Kriterien festlegen, die mit den Zielen der Richtlinie in Einklang stehen; sie können allerdings auch die gleichen sein wie die Kriterien für grenzüberschreitende Klagen.
- Es soll ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen dem Zugang des Geschädigten zum Recht und dem Schutz der Unternehmen vor missbräuchlichen Klagen. Deshalb wird für die Kosten ein "Verlierer-zahlt-Prinzip" eingeführt, das sicherstellt, dass die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens der erfolgreichen Partei trägt.
- Zudem sollen Gerichte oder Verwaltungsbehörden entscheiden können, offensichtlich unbegründete Fälle zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Verfahrens abzuweisen; auch hierdurch sollen missbräuchliche Klagen eingedämmt werden.
- Noch geprüft werden soll, ob ein Europäischer Bürgerbeauftragter für kollektive Rechtsbehelfe eingerichtet werden sollte, um grenzüberschreitende repräsentative Aktionen auf Unionsebene zu behandeln.
- Der Anwendungsbereich der kollektiven Klage soll neben dem allgemeinen Verbraucherrecht auch Verstöße von Händlern in Bereichen wie Datenschutz, Finanzdienstleistungen, Reisen und Tourismus, Energie, Telekommunikation, Umwelt und Gesundheit sowie Rechte von Flug- und Bahnreisenden umfassen.
Jetzt müssen dem gefundenen Kompromiss zunächst noch das Parlament als Ganzes sowie der Rat der EU zustimmen. Danach kann die neue Richtlinie im Amtsblatt der EU verkündet werden und dann 20 Tage später in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten haben anschließend 24 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, und weitere sechs Monate, um sie anzuwenden.
[Quelle: EU-Parlament]