1. Feststellungsklage des Arbeitgebers bei (außerordentlicher) Arbeitnehmerkündigung
Die Entscheidung (BAG, Urt. v. 1.10.2020 – 2 AZR 214/20) beleuchtet drei Problemkreise:
- Kann ein Arbeitgeber (AG) einen der Kündigungsschutzklage entsprechenden Antrag stellen?
- Kann ein AG einen allgemeinen Feststellungsantrag stellen?
- Wann liegt das Feststellungsinteresse vor?
Zum Sachverhalt: Der beklagte Arbeitnehmer absolvierte auf Kosten des klagenden Arbeitgebers eine Fortbildung. Der Arbeitnehmer kündigte fristlos. Der Arbeitgeber berief sich auf die ordentliche Beendigung und machte Ansprüche aus der vereinbarten Rückzahlungsklausel geltend sowie eine Feststellungsklage: „Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 16.4.2018 zum 30.4.2018 nicht aufgelöst worden ist, sondern durch die ordentliche Kündigung des Beklagten mit Ablauf des 30.6.2018 sein Ende gefunden hat.”
- Der Arbeitgeber kann keinen der Kündigungsschutzklage entsprechenden Antrag stellen. Bereits der Wortlaut des § 4 S. 1 KSchG „der Arbeitnehmer” spricht dagegen, ebenso die gesetzliche Systematik. Zuletzt liegt der Sinn und Zweck in der Wirksamkeitsfiktion, welche auf Seiten des Arbeitgebers keinen Sinn macht.
- Ob der Arbeitgeber allgemeinen Feststellungsantrag stellen kann, lässt der Senat offen.
Hinweise:
- Der Senat äußert Zweifel, weshalb davon auszugehen ist, dass er die Frage der (allgemeinen) Feststellungsklage verneinen wird.
- Allerdings neigt der Senat bei streitigen ehrenrührigen Tatsachen zur Bejahung einer Feststellungsklage.
Konkret hat der 2. Senat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Arbeitgebers verneint. Ein Feststellungsinteresse ist – so der Senat – insb. in folgenden Fällen zu verneinen:
a) Vorbereitung eines Schadenersatzanspruchs: Es liegt nur die Vorfrage vor, welche nicht mit Rechtskraft entschieden wird.
b) Der Sozialversicherungsstatus wird nicht verbindlich geklärt, Sozialversicherungsträger sind nicht an die Entscheidungen der Arbeitsgerichte gebunden.
c) Die Abwicklung war i.Ü. unstreitig.
d) Auch etwaige Rückforderungsansprüche aus einer Rückzahlungsvereinbarung genügen nicht. Sie werden nicht mit Rechtskraft geklärt. Ebenso wenig deren Vorfrage, die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist nicht Gegenstand der Rechtskraft der Feststellungsklage.
e) Ein Vortrag für eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO war nicht ersichtlich.
2. Wiedereinsetzung bei fehlender einfacher Signatur
Die wirksame Einreichung elektronischer Dokumente bei Gerichten erfordert nach § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO, dass die Dokumente entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von dieser (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müssen.
In dem vom BAG am 14.9.2020 entschiedenen Fall (5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476 und NZA 2020, 1501, hierzu Radtke JM 2021, 26 und Toussaint ArbR 2020, 619) hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten („Rechtsanwalt B”) für seine Partei unter Nutzung des beA beim LAG am 20.3.2019, einem Mittwoch, Berufung eingelegt. Die Frist zur Einlegung der Berufung lief am 21.3.2019 ab. Der Schriftsatz endete mit dem Wort „Rechtsanwalt”, ohne Angabe eines Namens, war aber mit dem Briefkopf der Anwaltskanzlei versehen. Ferner befand sich auf der ersten Seite des Schriftsatzes unter „unser Zeichen” das Aktenzeichen der Kanzlei und der Zusatz „Rechtsanwalt B”. Durch richterliche Verfügung vom 21.3.2019, die vom Vorsitzenden um 14:02 Uhr elektronisch signiert wurde, teilte das Gericht den Parteien den Eingang der Berufung am Vortag hin, übermittelte das Aktenzeichen und wies auf die Berufungsbegründungsfrist hin. Die Verfügung wurde am 27.3.2019 versandt.
Das LAG machte erst Monate später darauf aufmerksam, es bestünden Bedenken an der formgerechten Einlegung der Berufung, weil es an einer wirksamen einfachen Signatur der Berufungsschrift fehle. Es sei beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Im Rahmen der eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme vertrat der Beklagtenvertreter die Auffassung, die fehlende Signatur sei nicht erheblich, weil andere Umstände eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür böten, dass der Prozessbevollmächtigte die Berufung eingelegt, die Verantwortung für den Inhalt übernommen habe und diese willentlich in den Verkehr gelangt sei. Vorsorglich stellte die Beklagte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das LAG hat die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung als unzulässig verworfen. Die vom LAG zugelassene Revisionsbeschwerde hat die Beklagte eingelegt.
Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Stattgabe des Antrags auf Wiedereinsetzung.
Die Berufungsschrift war nicht mit der nach § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO erforderlichen einfachen elektronischen Signatur versehen. Diese meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, etwa durch einen maschinellen schriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift. A...