Die vorbezeichneten Entscheidungen des XI. und VII. Senats des BGH erteilen aus gutem Grund der Theorie eine Absage, dass der berechtigte Gläubiger es (beliebig) in der Hand haben soll, durch sein eigenes Verhalten (Verlangen) die Verjährung der Ansprüche erst auszulösen. Die Entscheidungen gehen folglich von dem Grundsatz aus, dass die Verjährung der entsprechenden Ansprüche nicht erst von einem Verlangen des Berechtigten, sondern bereits mit dem Abschluss des Bauvertrags zu laufen beginnt. Danach spricht nichts für eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschriften bei Leihe und Verwahrung auf das Sicherungsverlangen.
Diese Grundlage verlässt die neue Entscheidung zu § 648a BGB (gleichlautend § 650f BGB n.F.) des BGH:
Zitat
„Die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung bei Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. beginnt nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit.”
Anders als in den zwei früheren Entscheidungen des XI. Senats und der früheren Entscheidung des VII. Senats und in kontradiktorischem Gegensatz zu diesen Urteilen soll die Verjährung beim Sicherungsverlangen nach der neuen Entscheidung des BGH erst mit dem Sicherungsverlangen beginnen.
Der Anspruch auf Werklohn und der Anspruch auf Stellung einer Sicherheitsleistung sind verschiedene Streitgegenstände (vgl. LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.2.2021 – 2-20 O 44/20, NJW-Spezial 2021, 238).
Niemand käme also auf die Idee, dass etwa die Werklohnklage die Verjährung des Sicherungsanspruchs hemmt. Werklohn- und Sicherungsanspruch sind als gesonderte Streitgegenstände unabhängig voneinander zu beurteilen. Dennoch hat der BGH in seiner neuen Entscheidung ein Bedürfnis dafür entdeckt, das nach der früheren Rechtsprechung sich aufdrängende Ergebnis zu vermeiden, dass die Verjährung des Sicherungsanspruchs bereits mit dem Abschluss des Bauvertrags beginnen soll.
Es bleibt vielmehr nach der neuen Entscheidung des BGH dabei: Erst das Verlangen des Berechtigten auf Sicherungsleistung löst den Verjährungsbeginn bei der Bauhandwerkersicherung aus, weil es sich um einen sog. verhaltenen Anspruch handelt (BGH, Urt. v. 25.3.2021 – VII ZR 94/20, Rn 19; so auch schon OLG Hamm, Urt. v. 8.10.2015 – 21 U 71/15, juris Rn 78 ff.; PWW/Leupertz/Halfmeier, 15. Aufl., § 650f Rn 5; Palandt/Retzlaff, BGB, 80. Aufl., § 650f Rn 14; Messerschmidt/Voit/Cramer, Privates Baurecht, 3. Aufl., BGB § 650f Rn 106; MüKo-BGB/Busche, 8. Aufl., § 650f Rn 14; hierzu neigend auch BeckOK BGB/Voit, Stand: 1.5.2020, § 650f Rn 16; a.A. Kniffka/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 16.2.2021, § 650f Rn 40; Schmitz, BauR 2009, 714, 715; Staudinger/Peters, 2019, BGB, § 650f Rn 1, 23; Leicht in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 650f BGB Rn 37 ff.).
Zur Begründung verweist der BGH auf die Überlegung des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, der von der Schaffung einer allgemeinen Verjährungsregelung für verhaltene Ansprüche im Hinblick auf deren Ausnahmecharakter bewusst abgesehen habe. Die Gesetzeshistorie rechtfertige es, den Beginn der Verjährungsfrist verallgemeinernd für verhaltene Ansprüche grds. an das Erfüllungsverlangen des Gläubigers zu knüpfen. Denn bei komplexen und langjährigen Bauvorhaben stelle sich die Notwendigkeit einer Sicherheit häufig erst drei Jahre nach Vertragsschluss (oder auch danach) heraus.
Hinzu komme: Der Besteller kann dem Unternehmer eine Bauhandwerkersicherung nicht einseitig aufdrängen. Der Unternehmer darf sie zwar unmittelbar nach Abschluss des Bauvertrags fordern, sie ist aber zunächst nicht erfüllbar. Fälligkeit und Erfüllbarkeit treten nach Auffassung des BGH erst mit der Gläubigeranforderung ein.
Das mögen durchaus vertretbare Überlegungen sein. Jedoch sieht der BGH keine zeitliche Begrenzung eines solchen Verlangens, wenn nicht Verwirkung oder Rechtsmissbrauch eingreifen, die allerdings gerade im Zusammenhang mit § 648a BGB a.F. und § 650f n.F. BGB so gut wie nie zur Anwendung kommen dürften. Kann das Sicherungsverlangen daher jederzeit – auch noch nach vielen Jahren – geltend gemacht werden und erst diese Geltendmachung die Fälligkeit und Verjährung des Anspruchs auslösen? Ist eine so lange Ungewissheit, die ausschließlich der Berechtigte in der Hand hat, im Rechtsverkehr und für den Vertragspartner tragbar?
Eine mögliche zeitliche Grenze könnte man in der Weise einziehen, dass zumindest die Geltendmachung des Sicherungsverlangens noch innerhalb der für die Verjährung des Anspruchs geltenden allgemeinen dreijährigen Frist erfolgen müsste. Wenn man diese Einschränkung bejaht, wäre im vorliegenden Fall die Verjährung des Sicherungsanspruchs mit Ablauf des Jahres 2017 eingetreten. Eine solche zeitliche Einschränkung für die Geltendmachung des Sicherungsverlangens gibt es jedoch bislang nicht.