Gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG ist der um Asyl nachsuchende Ausländer u.a. verpflichtet, auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung des Asylgesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Ergänzend hierzu enthält § 15a Abs. 1 S. 1 AsylG die – allein in die Zuständigkeit des Bundesamts fallende, Abs. 2 der genannten Vorschrift – Befugnis zum Auslesen mobiler Datenträger, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Die Verpflichtung, die notwendigen Zugangsdaten für eine zulässige Auswertung von Datenträgern zur Verfügung zu stellen, ergibt sich wiederum aus § 15a Abs. 1 S. 2 AsylG i.V.m. § 48 Abs. 3a S. 3 AufenthG. Über die Rechtmäßigkeit von auf diese Vorschriften gestützten Anordnungen/Maßnahmen des Bundesamts – Herausgabe des Mobiltelefons, Mitteilung der Zugangsdaten, Auslesen der auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten und anschließender automatischer Verarbeitung zu einem Ergebnisreport, Speicherung in einem Datentresor, Freigabe des generierten Ergebnisreports für das Asylverfahren und damit einhergehender Gestattung seiner Verwendung – beschäftigt sich das BVerwG in seinem Urt. v. 16.2.2023 (1 C 19.21, juris).
Dabei verweist das BVerwG i.R.d. Begründetheitsprüfung zunächst auf den Wortlaut von § 48 Abs. 3a S. 3 AufenthG, aus dem sich eindeutig ergebe, dass der Ausländer nur dann zur Offenbarung der Zugangsdaten verpflichtet sei, wenn die damit bezweckte Auswertung von Datenträgern zulässig sei. Schon bei der darauf gerichteten Anordnung müssten daher die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Auswertung vorliegen. Sodann widmet sich das Gericht der Auslegung des Begriffs der Auswertung von Datenträgern nach § 15a Abs. 1 S. 1 AsylG. Dieser umfasse sämtliche Maßnahmen der die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers bezweckenden Datenverarbeitung, die sich auf einen nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG vorgelegten, ausgehändigten oder überlassenen Datenträger beziehe. Zur Auswertung gehörten daher neben der Datenanalyse auch die vorangehenden Schritte der Datenverarbeitung wie das Auslesen des Datenträgers, die vorübergehende Speicherung der erlangten Daten sowie das automatisierte Generieren und die Speicherung des Ergebnisreports. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 S. 1 AsylG, der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und seiner sich hieraus ergebenden Zwecksetzung sowie aus dem Verweis in § 15a Abs. 1 S. 2 AsylG auf § 48 Abs. 3a S. 3 AufenthG.
Bei der anschließenden Subsumption bestätigt das BVerwG die Annahme des VG – es handelte sich um eine Entscheidung über eine Sprungrevision nach § 134 Abs. 1 und § 49 Nr. 2 VwGO –, wonach sich auf einem Mobiltelefon üblicherweise eine Vielzahl relevanter Daten befänden, die für die zu treffende Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein könnten. Indes hätten dem Bundesamt im Streitfall nach den Feststellungen des VG mit der Tazkira (einem afghanischen Ausweisdokument ohne biometrische Daten), der Heiratsurkunde und der Bescheinigung der afghanischen Botschaft drei von der Klägerin selbst vorgelegte Unterlagen zur Verfügung gestanden. Ferner seien Registerabgleiche durchgeführt worden; zudem sei eine Nachfrage beim Sprachmittler nach Auffälligkeiten in Betracht gekommen. Die hieraus gezogene Schlussfolgerung des VG, das Bundesamt habe zum Zeitpunkt der angegriffenen Anordnung über mehrere Mittel verfügt, die weniger stark in die Grundrechtspositionen der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen hätten als die Datenauswertung und deren vorrangige Würdigung unterblieben sei, sei nach Auffassung des BVerwG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit erwiesen sich sämtliche vom Bundesamt angeordneten/durchgeführten Maßnahmen als rechtswidrig.
Hinweis:
Als statthafte Klageart gegen die Anordnung, die Zugangsdaten des Mobiltelefons zur Verfügung zu stellen, zieht das BVerwG die Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO heran, weil sich die Anordnung jedenfalls mit der Rückgabe des Mobiltelefons erledigt habe (§ 43 Abs. 2 VwVfG). § 44a S. 1 VwGO stehe der Zulässigkeit einer solchen Klage nicht entgegen, da die angegriffene Anordnung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreife und damit eine andere Rechtsposition als die Sachentscheidung über ihren Asylantrag betreffe. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse leitet das BVerwG aus dem Umstand ab, dass eine solche Anordnung sich typischerweise spätestens mit der Rückgabe des Mobiltelefons und damit so kurzfristig erledige, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnte.