In seinem anlässlich einer asylrechtlichen Streitigkeit ergangenen Beschl. v. 12.5.2022 (1 B 14.22, NVwZ 2022, 1292) befasst sich das BVerwG mit den Anforderungen an eine wirksame Zustellung bei mehreren Bevollmächtigten. Für die dortigen Kläger hatten sich zwei Bevollmächtigte bestellt, die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wurde indes nur an einen Bevollmächtigten zugestellt. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde insb. darauf gestützt, dass das Berufungsgericht allein oder jedenfalls auch den anderen Bevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung hätte laden müssen. Diese auf die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 2 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) zielende Rüge hatte keinen Erfolg.
Ausgehend von den einschlägigen gesetzlichen Zustellungsvorschriften (§§ 67 Abs. 6 S. 5, 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 84 ZPO) stellt das BVerwG zunächst heraus, dass bei mehreren Bevollmächtigten die Zustellung an einen von ihnen genüge, für den Beginn des Laufes prozessualer Fristen die zeitlich erste (wirksame) Zustellung ausschlaggebend sei und spätere Zustellungen an weitere Bevollmächtigte keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf setzten. Sodann führt es unter Hinweis auf § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 87 ZPO aus, dass die Vollmacht der Kläger für die Bevollmächtigten, an die das Berufungsgericht die Ladung zur mündlichen Verhandlung zugestellt hatte, weder eine Beschränkung (vgl. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 83 S. 2 ZPO) hinsichtlich etwaiger Zustellungen enthalten habe noch sei sie zu diesem Zeitpunkt bzw. zum Zeitpunkt der Zustellung des Berufungsurteils wirksam erloschen gewesen. Gemäß § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 87 ZPO erlange die Kündigung eines Prozessvertretungsvertrags nämlich erst mit der Anzeige gegenüber dem Gericht rechtliche Wirksamkeit. Solange dem Gericht das Ende des bisherigen Vollmachtverhältnisses nicht vorgetragen werde, sei demnach der bisherige anwaltliche Prozessbevollmächtigte für das Gericht bevollmächtigt, für die Kläger Prozesshandlungen vorzunehmen.
Hinweis:
Das BVerwG stellt (erneut) klar, dass es in den Fällen, in denen sich ein Beteiligter durch seinen bisherigen Bevollmächtigten nicht mehr vertreten lassen möchte bzw. diesem bereits das Mandat gekündigt hat, zwingend einer Anzeige gegenüber dem Gericht bedarf, damit er Zustellungen durch (bzw. dessen Prozesserklärungen an) das Gericht nicht gegen sich gelten lassen muss. Eine solche Anzeige kann (auch) durch den neuen Bevollmächtigten erfolgen.
ZAP F. 19 R, S. 661–670
Von Dr. Johann Lier, Richter am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster