a) Allgemeines

Durch das 2. OpferRRG ist 2009 der Katalog der Anschlussberechtigungen erheblich umgestaltet worden. Einerseits sind in § 395 Abs. 1 StPO nur noch erhebliche (insb.) Aggressionsdelikte enthalten, andererseits ist der Deliktskatalog durch den Auffangtatbestand des § 395 Abs. 3 StPO erheblich erweitert worden (dazu BT-Drucks 16/12098, S. 45 ff.; zur Reform Barton, JA 2009, 753; ders., StRR 2009, 404; zur Kritik Schroth, NJW 2009, 2916).

b) Anschlussberechtigung nach § 395 Abs. 1 StPO

Zum Anschluss berechtigt sind nach § 395 Abs. 1 StPO (vgl. a. Burhoff/Burhoff, EV, 3174 ff.):

  • Nr. 1, 2, 3 und 4 die durch bestimmte rechtswidrige Taten (sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, Körperverletzungs- und versuchte Tötungsdelikte, Förderung der Prostitution und Zuhälterei; Straftaten gegen die persönliche Freiheit, also auch „Stalking” (§§ 232–238, 239 Abs. 3, 239a, 239b, 240 Abs. 4) verletzten Personen, und zwar auch dann, wenn die Tat nur Rauschtat eines Vollrauschs nach § 323a StGB ist (BGH, Beschl. v. 16.7.2019 – 4 StR 131/19, NStZ-RR 2019, 353) sowie dann, wenn der Nebenkläger wegen einer anderen Tat in demselben Verfahren mitangeklagt ist (BGH StraFo 2005, 427); ob unbenannte schwere Fälle nach § 240 Abs. 4 S. 1 StGB Katalogtaten i.S.v. Nr. 4 darstellen, ist umstritten (verneint von LR-Wenske, StPO, 26. Aufl., § 395 Rn 3 ff; OLG Hamburg, Beschl. v. 13.1.2021 – 2 Rev 32/20; bejaht von MüKo-StPO/Valerius, § 395 Rn 53),
  • Nr. 5 die durch Verstöße gegen § 4 GewaltschutzG Verletzten,
  • Nr. 6 u.a. die durch einen Wettbewerbsverstoß (gewerblicher Rechtsschutz oder Urheberrechtsverletzung) Verletzten (dazu Rieks, NStZ 2019, 643; krit. Barton, StRR 2009, 404; ders., JA 2009, 753; Meyer-Goßner/Schmitt, § 395 Rn 6 [systemfremd]; zur Nebenklagebefugnis von Unternehmen Bott/Kohlhof, StraFo 2019, 413).

c) Anschlussberechtigung nach § 395 Abs. 2 StPO

Zum Anschluss berechtigt sind nach § 395 Abs. 2 StPO

  • nach Nr. 1 Eltern, Kinder, Geschwister und Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner eines Getöteten, wobei es auf die Regelungen im BGB ankommen dürfte, also z.B. auf § 1592 BGB (auch BGHSt 22, 187 zu § 52); nach dem Tod des ursprünglich originären Verletzten infolge der Tat sind von diesem Zeitpunkt an die Angehörigen selbstständig anschlussberechtigt (a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, § 395 Rn 4 m.w.N.), was sowohl aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut als auch aufgrund der Zulässigkeit der Angehörigennebenklage nach § 395 Abs. 2 StPO folgt (BeckOK-StPO/Weiner, § 402 Rn 2; a.A. für die Angehörigen des Opfers einer Körperverletzung, das an den Folgen der Körperverletzung verstorben ist, BGHSt 44, 97; ähnlich BGH StraFo 2012, 67; zum – verneinten – Anschluss bei einem nur versuchten Tötungsdelikt BGH NStZ 2006, 351). Von § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO werden auch die durch einen Todeserfolg qualifizierten Delikte erfasst (BGHSt 52, 153; Beschl. v. 17.2.2021 – 4 StR 225/20 für § 315d StGB, NJW 2021, 1173; dazu Barton, StRR 2008, 304 in der Anm. zu BGHSt 52, 153).
  • Nicht anschlussberechtigt sind jedoch der geschiedene Ehegatte (Meyer-Goßner/Schmitt, § 395 Rn 8; BGH NJW 2012, 3524), die Großeltern des Getöteten (BGH NJW 1967, 454; OLG Celle VRS 130, 113; LG Hamburg MDR 1979, 251), der Enkel (OLG Celle VRS 130, 113; OLG Köln, Beschl. v. 28.10.2008 – 2 Ws 525/08), Nichten/Neffen (OLG Celle VRS 130, 113), der Stiefvater/die Stieftochter des Getöteten (BGH, Beschl. v. 15.9.1995 – 3 StR 328/95; Beschl. v. 14.2.2012 – 3 StR 7/12) oder die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (BVerfG NJW 1993, 3316 [für eine nach „Sinti-Art” geschlossene Ehe]), Pflegeeltern oder Pflegekinder (OLG Celle VRS 130, 113). § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO begründet auch dann keine Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger bei einem lediglich leiblichen Geschwisterverhältnis, wenn aufgrund der Aufhebung der bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse infolge einer Adoption nach § 1755 BGB im rechtlichen Sinne ein Verwandtschaftsverhältnis des leiblichen Geschwisterteils zum Geschädigten nicht bestand (OLG Bremen, Beschl. v. 18.4.2023 – 1 Ws 26/23). Im Übrigen muss das Angehörigenverhältnis im Zeitpunkt des Verfahrens noch bestehen bzw. bis zur Tötung des Geschädigten bestanden haben (OLG Bremen, Beschl. v. 18.4.2023 – 1 Ws 26/23).

d) Anschlussberechtigung nach § 395 Abs. 3 StPO

Das 2. OpferRRG hat in § 395 Abs. 3 StPO einen „Auffangtatbestand” eingeführt, der den Anwendungsbereich der Nebenklage erheblich erweitert hat (dazu [krit.] Bung, StV 2009, 430, 435; Barton, StRR 2009, 404 f.; Rieks, NStZ 2019, 643; Bott/Kohlhof, StraFo 2019, 413; auch noch Meyer-Goßner/Schmitt, § 395 Rn 10). Insoweit gilt im Einzelnen:

In § 395 Abs. 3 StPO werden in einem Katalog verschiedene Delikte genannt, und zwar die Beleidigungsdelikte (§§ 185189 StGB), die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), der Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB), Raub und Erpressung (§§ 249255 StGB) und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB). Die Aufzählung ist aber nicht abschließend, da mit „insbesondere” formuliert worden ist. Grundsätzlich zulässig ist der Anschluss daher auch bei jeder anderen „rechtswidrigen Tat” (grds. BGH NJW 2012, 2601 m. Anm....

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?