Das 2. OpferRRG hat in § 395 Abs. 3 StPO einen „Auffangtatbestand” eingeführt, der den Anwendungsbereich der Nebenklage erheblich erweitert hat (dazu [krit.] Bung, StV 2009, 430, 435; Barton, StRR 2009, 404 f.; Rieks, NStZ 2019, 643; Bott/Kohlhof, StraFo 2019, 413; auch noch Meyer-Goßner/Schmitt, § 395 Rn 10). Insoweit gilt im Einzelnen:
In § 395 Abs. 3 StPO werden in einem Katalog verschiedene Delikte genannt, und zwar die Beleidigungsdelikte (§§ 185 –189 StGB), die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), der Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB), Raub und Erpressung (§§ 249–255 StGB) und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB). Die Aufzählung ist aber nicht abschließend, da mit „insbesondere” formuliert worden ist. Grundsätzlich zulässig ist der Anschluss daher auch bei jeder anderen „rechtswidrigen Tat” (grds. BGH NJW 2012, 2601 m. Anm. Barton, StRR 2012, 343; Urt. v. 28.1.2021 – 3 StR 279/20 [unterlassene Hilfeleistung]: Rieks, NStZ 2019, 643 f.; Bott/Kohlhof, StraFo 2019, 413, 414; Jahn/Bung StV 2012, 754).
Der Anschluss muss allerdings aus besonderen Gründen zur Wahrnehmung der Rechte des (schutzbedürftigen) Verletzten geboten sein. Bei der Frage, ob besondere Gründe und/oder ein Schutzbedürfnis vorliegen, wird v.a. auf die Schwere der Tatfolgen für das Opfer abgestellt. Die Formulierung orientiert sich damit an der Fassung des § 395 Abs. 3 StPO a.F. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 16/12098, S. 49) sollen schwere Folgen insb. dann vorliegen, wenn beim Verletzten körperliche oder seelische Schäden mit einem gewissen Grad an Erheblichkeit bereits eingetreten oder zu erwarten sind (BGH NJW 2012, 2601; Urt. v. 28.1.2021 – 3 StR 279/20; auch OLG Koblenz NStZ 2012, 655 für versuchte Anstiftung zum Mord nach den §§ 30, 211 StGB). Es können also Gesundheitsschädigungen, Traumatisierungen oder erhebliche Schockerlebnisse von Bedeutung sein (LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 12.9.2013 – 2 Qs 77/13). Der wegen einer Sexualstraftat falsch Verdächtigte wird ebenfalls – wie das Opfer – als schutzwürdig angesehen (AG Bad Mergentheim StraFo 2018, 29).
Allein das wirtschaftliche Interesse eines möglichen Verletzten an der effektiven Durchführung zivilrechtlicher Ansprüche ist zur Begründung eines besonderen Schutzbedürfnisses nach h.M. aber unzureichend (BGH NJW 2012, 2601; LG Hamburg StraFo 2017, 422; Jahn/Bung, StV 2012, 75; ähnlich OLG Jena NJW 2012, 547; Rieks, NStZ 2019, 643 f.; Bott/Kohlhof, StraFo 2019, 413 f.), was zur Folge hat, dass Taten nach den §§ 242, 263, 266 StGB i.d.R. als den Anschluss begründende Taten ausgeschlossen sind (BGH, a.a.O.; s. aber AG Duisburg, Beschl. v. 11.3.2020 – 93 Ls 642 Js 100/17-74/19, StraFo 2020, 248 m. Anm. Nassif für Untreue).
Für Verkehrsstrafsachen gilt nach wie vor: Eine Anschlussbefugnis besteht nicht bei mittleren Verletzungen, wenn der Schaden bereits reguliert ist (Beulke, DAR 1988, 116; Barton, StRR 2009, 404 f.) und erst recht nicht bei bloßen Bagatellverletzungen. Nach Ansicht des Verf. besteht sie auch nicht allein wegen der Auswirkung des Strafverfahrens auf einen noch nicht abschließend regulierten Verkehrsunfall (a.A. zum früheren Recht LG Passau NStZ-RR 2007, 382; AG Homburg VRS 74, 43; Meyer-Goßner/Schmitt, § 395 Rn 11; auch die Gesetzesbegründung zu § 395 Abs. 3 a.F. in BT-Drucks 10/5305, S. 12).